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Inflation in Deutschland: Wo ist das Top?

Inflation - wo ist das Top?

Eine selten erlebte Konstellation treibt die Inflation, rund um die Welt. Auch in Deutschland, in dem Land, in dem man sich besonders vor der Inflation fürchtet. Schließlich wurde das Trauma der Währungsreform viele Jahre weiter vererbt. Ein extremer Preiseinbruch im letzten Jahr durch die Pandemie, extreme geld- und fiskalpolitische Maßnahmen und ein in vielen Ländern forcierter Umbau der Energieversorgung infolge der unübersehbaren Folgen des Klimawandels, haben eine Preislawine losgetreten, wie von keinen maßgeblichen Ökonomen vorhergesagt.

Die aktuelle Inflation in Deutschland..

..ist hoch im Vergleich zu den letzten beiden Zyklen, aber nicht langfristig. Die Bundesbank kämpfte in ihrer Zeit mit ganz anderen Raten. 4,1 Prozent im Jahresvergleich klingen viel, im Vergleich zu vor Corona 2019 liegt man aber noch im Zielkorridor.

Inflation in Deutschland - die Entwicklung

Aber die aktuelle Entwicklung deutet von allen Seiten darauf hin, dass dies noch nicht das Ende der Fahnenstange ist.

Welche Preisanstiege könnten dauerhaft sein?

Hier stellt sich sofort die Frage nach den Energiepreisen, denn diese waren in den letzten Jahrzehnten – zusammen mit der Lohn-Preis-Entwicklung – stets der Treiber für große Spitzen der Inflation. Hier die aktuelle Übersicht aus den USA über die Jahresteuerung bei den Rohstoffen. Ganz vorne Öl und Gas:

Inflation Rohstoffe und Energie

Hier die Energiepreise bei den US-Verbraucherpreisen, blau schraffiert unterlegt. Ein wildes Auf und Ab, gleichzeitig den Transportsektor beeinflussend.

Energiepreise und Entwicklung der Inflation

Aber welcher Mangel könnte längerfristig für noch höhere Inflation sorgen?

Beispiel Öl: Sowohl Saudi-Arabien, als auch Russland und die USA mit ihrer Fracking-Industrie, hätten die Möglichkeit die Förderung rasch hochzufahren, um die Angebotsengpässe zu reduzieren. Doch man hat sich auf der OPEC+Tagung geeinigt, dies nicht zu tun, denn die hohen Preise sind für die erstgenannten Länder wie Balsam auf die Wunden der durch Corona gebeutelten Staatshaushalte. Was hatte man im Frühjahr letzten Jahres bei 20 Dollar pro Barrel gelitten?

Doch Saudi-Arabien ist dafür bekannt keine allzugroßen Preissprünge zu tolerieren, denn aus bitterer Erfahrung weiß man, wie schnell dies ins Gegenteil umschlägt. Der saudische Ölminister Prinz Abdulaziz bin Salman, so etwas wie der Zentralbankchef der Ölmärkte, könnte im Alleingang die Ölproduktion so stark erhöhen, dass sich die Versorgungslage entspannt.

Spätestens bei 100 Dollar sollte man reagieren. Preise über 100 Dollar hatte man schon über mehrere Jahre von 2012 bis 2014 gesehen, der Grund für den Aufstieg der US-Schieferölindustrie zum Weltmarktführer.

Extrem ist die Entwicklung beim Gaspreis, wo durch den Energiehunger der asiatischen Staaten fast schon Mondpreise für diesen Energieträger gezahlt werden. Aber gibt es wirklich einen Mangel in den Gasfeldern, der nicht in ein paar Monaten oder Quartalen ausgeglichen werden könnte?

Der Vergleich mit der Ölpreisentwicklung in den 1970-ern hinkt etwas, denn damals gab es eine extreme Monopolstellung der arabischen Länder, die gnadenlos für politische Zwecke als Waffe ausgenutzt wurde.

Chipmangel:

Die wohl größten Verwerfungen gibt es im Bereich der Halbleiterindustrie, denn deren Nachfragesituation hat in der heutigen Zeit alle Prognosen weit übertroffen. Sei es in der Automobilindustrie oder bei den neuen Energien, Chips fehlen an allen Orten. Viele Automobilfabriken produzieren auf Sparflamme oder gehen außer Betrieb. In diesem Jahr werden weit über 10 Millionen Fahrzeuge nicht gebaut, obwohl nachgefragt. Besonders in Deutschland kommt es bei VW, Ford oder Opel zu Produktionskürzungen. Die Preise für neue oder gebrauchte Autos steigen dadurch – auch das treibt die Inflation.

Derzeit befinden sich fast zwei Dutzend Fabriken für Halbleiter im Bau, um die Nachfrage zu befriedigen, aber auch um die große Abhängigkeit von Werken in China, Taiwan, Südkorea oder Malaysia zu verringern. Laut Branchenverband ZVEI liegt die Höhe der weltweiten Produktionskapazität in Europa bei gerade einmal acht Prozent (Deutschland drei Prozent).

Auch hierzulande unternimmt man große Anstrengungen, um Kapazitäten auszubauen, durch Bosch und Infineon, auch Intel möchte groß einsteigen. Der Aufbau wird dauern, der Mangel dürfte sich in den nächsten Monaten sogar noch verschärfen. Einen langfristigen Mangel dürfte es aber nicht geben, man macht sich heute schon Gedanken darüber, wer die europäischen Werke später auslasten soll, bei der Konkurrenz zu den günstigen Asiaten (Energiekosten).

Transportkosten:

Eine unglaubliche Preisentwicklung hat es im letzten Jahr bei den Containerpreisen auf hoher See gegeben, mit teilweiser Verzehnfachung auf bestimmten Routen zwischen China und westlichen Häfen. Reedereien fahren Gewinne ein wie seit langer Zeit nicht mehr, nach sehr dürftigen Jahren mit großem Margendruck. Die Lage dürfte sich im Winter noch nicht entspannen, schließlich kommt jetzt noch Druck auf, durch die Situation im Energiesektor und die Nachfrage im Massengütermarkt. Aber auch hier hat man schon seit längerer Zeit auf Expansion geschaltet, bei der Bestellung von Containern und Frachtschiffen.

Aus VesselsValue, der größte Schiffsdatenbank in London, ergibt sich, dass die Schiffsbestellungen im ersten Halbjahr 2021 geradezu explodiert sind: 286 Schiffe, eine Steigerung um 780 Prozent gegenüber dem Vorjahr, als es nur 32 Orders gab. Auch ein All Time High, nicht nur die Frachtraten sind explodiert.

Container Aufträge

Stellt sich noch Frage nach den Preisentwicklungen am Lebensmittelmarkt. Werden diese weiter so hoch bleiben? Hat sich die Ernährungssituation auf dieser Welt binnen eines Jahres tatsächlich so verändert oder liegen die Hauptgründe in Missernten und anderem?

Kommt die Lohn-Preis-Spirale?

Eine knifflige Frage, denn hier gibt es unglaublich viele Einflussfaktoren: Politik, Gewerkschaften und auch das Vermögen der Industrie Arbeitsplätze durch Automatisation und Digitalisierung zu ersetzen. Vor Kurzem lief die Nachricht über den Ticker, dass der Discounter Aldi erste Läden ohne Kassensysteme aufbauen möchte (à la Amazon), eine Schreckensvision für Tausende Kassierer/innen. Auch wird die Robotisierung in Fabriken zunehmen, Stichwort Elektromobilität, man braucht sich nur die menschenleeren Automobilfabriken zu betrachten.

Auf der anderen Seite gibt es die klaren Tendenzen zur Anhebung der Mindestlöhne, um den Menschen ein besseres Auskommen zu ermöglichen. Die Lohnkosten tendieren derzeit eindeutig nach oben, die Arbeitnehmer sind nach langer Zeit wieder in einer starken Position – auch das kann die Inflation weiter nach oben treiben. Besonders ausgeprägt in den USA – aber längerfristig würde ich im Hire and Fire-Amerika nicht allzu viel darauf geben, vor allem wenn sich die Wirtschaft abschwächen sollte.

Deutschlands Sonderweg

Obwohl es durch den Wegfall des Effekts der Mehrwertsteuererhöhung ab Januar eine spürbare Senkung in der Inflationsrate geben dürfte, steht die nächste Teuerung der Energiepreise bereits in den Startlöchern. Eine neue Runde bei den CO2-Abgaben, die sehr viele Menschen treffen wird: Seien es die immer noch 47 Millionen Halter von Pkw mit Verbrennungsmotoren, die 4,8 Millionen Besitzer von Ölheizungen oder auch die 7,8 Millionen Betreiber von Gasheizungen. In gut 12 Wochen kommt die nächste Anhebung, egal bei welcher Koalition.

Fazit

Also wo liegt das Top bei der Inflation in Deutschland? Bundesbankchef Jens Weidmann scheint schon einen Riecher für die Inflationsentwicklung in Deutschland gehabt zu haben, als er vor Wochen von einer bis auf fünf Prozent steigenden Teuerungsrate bis Jahresende gesprochen hatte.

Es spricht aber viel dafür, dass die Inflationsrate auf erhöhtem Niveau auch dauerhaft bleiben wird, allein schon aus der Sicht der riesigen Kosten, die für den Umbau der Energieversorgung aufgewendet werden müssen.

Aber die Vergangenheit hat es gezeigt, wie auch im ersten Chart zu erkennen: Desto steiler ein Anstieg der Inflation verläuft, umso größer wird die Gegenbewegung. Weil es in der Wirtschaft ab einer gewissen Höhe zu Gegenreaktionen kommen wird: Durch Produktionsausweitung, wenn es für viele Jahre nicht mehr solche Gewinnmöglichkeiten gab, durch Abebben der Nachfrage, weil die höheren Preise Konsumenten und Wirtschaft schwächen.

Aber das wohl Gefährlichste an der Inflation ist, dass sie sich in den Köpfen der Menschen verfestigen könnte. Die Erwartung weiterer stark steigende Preise könnte zu vorgezogenen Käufer führen, die wiederum die Inflation anfachen. Und was machen dann die Notenbanken? Die Notbremse im „geldpolitischen Zug“ ziehen, aber soweit sind wir derzeit noch nicht.



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3 Kommentare

  1. Das Energiesystem wird nicht „umgebaut“ (da thermodynamisch gar nicht möglich, außer man geht Richtung Kernkraft), sondern schlicht abgewrackt.

    Damit ist zwar immer noch nicht die Prozentzahl der Erhöhung der Zahlen auf den Preisschildern prognostizierbar, aber sehr wohl die langfristige Kaufkraft der Einkommen in Deutschland. Zumindest wenn dieses nicht auf ausländischen Quellen beruht. Und das ist 0.

    Übrigens ist es völlig egal ob die Notenbank weiter druckt oder nicht. Das Ergebnis ist immer das gleiche.

  2. P.S.:
    Ich teile übrigens die Einschätzung des Autors, dass man die Lohndurchsetzungsmacht der Arbeitnehmer nicht überschätzen sollte. Es wird daher weniger zu einer Lohn/Preisspirale kommen, sondern eher zu sinkenden Realeinkommen.

  3. Pünktlich zur Euro-Einführung wurde die Inflationsberechnung geändert. Und zwar so, dass die dadurch berechnete Inflation direkt niedriger war. Dennoch schlug die Teuerung durch, mehrere Universitäten berechneten seinerzeit eigene Modelle und kamen zum Ergebnis von ca. 50% Inflation! Betrachtet man weiter, dass Mieten und Verträge nicht steigen konnten, bedeutete das damals eine Inflation von grob 100% auf den freien Teil der durchschnittlichen Einkommen.

    Oder anders gesagt, der Penner an der Supermarktkasse lag richtig, als er beim Schnapskauf stets „Teuro“ ausrief.

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