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Japan: Eine Warnung an die Crash-Propheten

Wie ein fundamental absolut untragbarer Zustand durch eine Notenbank noch sehr lange aufrecht erhalten werden kann! Vorbild für EZB?

Japan ist derzeit in aller Munde. Es wurde sogar schon der Begriff der Japanifizierung geprägt. Was ist damit gemeint? Eine alternde Bevölkerung, die in puncto Demographie vielen Nationen ein Beispiel sein wird, Niedrig- oder Nullzinsen – und dies schon seit zwei Jahrzehnten. Dazu die höchste Staatsverschuldung der Industriestaaten und ein Aktienmarkt, der immer noch unter seinen Höchstständen des Jahres 1989 notiert. Aber steht es um Japan wirklich so schlecht?

Japan und seine Wirtschaftsdaten

Das Land mit seinen 126 Millionen Einwohnern ist nach wie vor die drittstärkste Wirtschaftsnation der Welt, mit einem Bruttoinlandsprodukt von 4,972 Billionen Dollar (2018), damit deutlich hinter den USA (20,58 Billionen) und China (13,3 Billionen), aber weit vor Deutschland mit 3,344 Billionen Euro (2018).

Die Staatsverschuldung beträgt gigantische 238 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt, allerdings befinden sich davon 50 Prozent in den Büchern der Bank of Japan. Was das Ganze gewaltig relativiert, denn diese Papiere werden niemals mehr in den Kreislauf zurückkehren – und angesichts einer jahrelangen Inflation an der Nullermarke wird eine teilweise Eliminierung vermutlich auch keine Preisexplosion auslösen.

Bedenklich ist allerdings die Altersstruktur der Japaner, die mit einem Durchschnittsalter im Median von 48 Jahren (50 Prozent sind älter oder jünger) und bereits einem Anteil von 25 Prozent der Bevölkerung , die sich nach unseren Maßstäben im Rentenalter befinden. Erschwerend hinzu kommt noch die niedrige Geburtenrate pro Frau mit 1,4 Kindern, nötig wären 2,1 für eine stabile Bevölkerung ohne Migration.

Man ist mit 1,2 Billionen Dollar an Devisenreserven einer der Hauptgläubiger der USA, der Staat besitzt außerdem 765,2 Tonnen an Goldreserven. Die Zusammensetzung des Bruttoinlandsprodukts weicht gar nicht so sehr von dem der USA ab:

Landwirtschaft ca. 1,3 Prozent, Industrie gut 25 Prozent, ebenso wie der Dienstleistungssektor mit 73 Prozent

Wie hat sich die Wirtschaft angesichts der Nullzinsen entwickelt?

Betrachtet man das Wirtschaftswachstum im letzten Jahrzehnt (2010 – 2019) in den großen Industriestaaten, so fällt Japan schon etwas aus der Reihe:

  • Südkorea +2,9 Prozent ( im Durchschnitt)
  • Australien +2,6 %
  • USA +2,3 %
  • Deutschland +1,7 %
  • Japan +1,0 %

Vergleicht man aber die Wirtschaftsleistung pro Kopf, so sieht die Statistik für Japan etwas besser aus, welches als einziges Land eine etwas schrumpfende Bevölkerung in der Dekade aufweist. Die Zuwächse pro Kopf:

  • Südkorea 22000 – 26700 $, + 2,4%
  • USA 50000 – 58000 $, + 1,6%
  • Deutschland 37000 – 41200 $, + 1,3%
  • Japan 32000 – 35900 $, + 1,1% (Quelle statista)

Ein Hinweis, was in puncto Demografie auf Deutschland zukommen könnte, ist der Fakt, dass das gesetzliche Rentenalter in Japan zwar auch bei 65 Jahren liegt, aber über sieben Millionen Bürger jenseits dieser Schwelle noch berufstätig sind.

Japan: Zinslandschaft und Quantitative Easing

Nach der gigantischen Überspekulation mit Immobilien und dem darauf folgenden Crash an den Märkten, versuchte die Bank of Japan mit Zinssenkungen gegenzuwirken. Der japanische Leitzins lag 1990 tatsächlich noch bei sechs Prozent und wurde bis zum Jahre 1999 bis auf 0 Prozent gesenkt.

Dann folgten sechs Jahre, in denen der Leitzins zwischen 0,15 und 0,25 Prozent schwankte, dann das Jahr 2007, als die Notenbank den Zins sogar auf 0,50 Prozent erhöhte. Dummerweise folgte darauf die Finanzkrise, die die Notenbanken weltweit in den Zinssenkungsmodus trieb, natürlich auch Japan. Man senkte den Zins auf 0,1 Prozent, wo er acht Jahre lang bis 2015 verharrte. Dann kam der Schritt auf minus 0,1 Prozent, dem Niveau, welches bis heute Gültigkeit hat.

Die japanische Notenbank hat anscheinend erkannt, dass weitere Minuszinsen keinen Effekt erzielen – eine Erkenntnis, die man in Europa gerade erst nachvollziehen muss. Aber wie hat man Wirtschaft und Börse stimuliert? Durch ein gigantisches Quantitative Easing der Notenbank, die in unglaublich manipulativer Art und Weise in die Marktstrukturen eingriff.

Die aktuell nach Premier Shinzo Abe bezeichneten Maßnahmen („Abenomics„) haben dazu geführt, dass sich bereits die Hälfte der Staatsanleihen in den Büchern der Notenbank befinden. Dazu das Aktienankaufprogramm: Bereits seit 2001 erwirbt die BoJ jährlich umgerechnet 54 Milliarden Dollar an Indexfonds auf den japanischen Leitindex Nikkei. Sicher auch ein Grund, warum der Index seit 2012 eine solche Performance hingelegt hat. Die Schweizer Notenbank kauft auch bereits Aktien. Und die EZB?

Unglaublich viel wurde mit Gelddrucken zu lösen versucht – und Japan spielt hier den Vorreiter. Sollte man die Schulden per Notenbankbeschluss teilweise löschen, wäre man auf einen Schlag ein Riesenproblem los, hätte dafür aber andere geschaffen: Verlust des Vertrauens in die Währung plus die Gefahr einer richtig ausufernden Inflation (Hyperinflation). Wobei dann, allein schon bei der Andeutung eines solchen Sündenfalles, die große Stunde des gelben Edelmetalls schlagen wird.

Der unselige Börsenvergleich – Nikkei im Jahr 1989

Kaum eine Zahl wird von Aktienskeptikern mehr heran gezogen als der Stand des Nikkei bei seinem Höchstkurs im Dezember 1989. Nach einer beispiellosen Immobilienspekulation war der Index von 1984 bis Dezember 1989 von 10000 bis auf 38915 Punkte gestiegen – in nur viereinhalb Jahren. Dann der Absturz im Jahr 1992 bis auf 14309 Punkte, Erholung bis 1996 auf fast 20000 Punkte und dem finalen Tiefpunkt nach der Dotcom-Blase bei 7679 Punkten.

Am Freitag schloss der Nikkei mit 23966 Punkten fast auf dem Höchststand seit 28 Jahren. Der Anleger, der nicht sein ganzes Kapital in den Jahren 1988 und 1989 investiert hätte, wäre in allen anderen Jahren seither im Plus. Das zeigt einmal mehr, dass die Gier bestraft wird und nicht ein langfristig und gesplittetes Engagement. Ein Sparplan auf den Nikkei hätte seit 30 Jahren eine gute Performance ergeben.

Dazu noch ein anderes Extrembeispiel: Wer im Jahr 2012 bei einem Nikkei-Tiefstand von 8295 investiert hätte, würde sein Kapital bis heute (23966 Punkte) fast verdreifacht haben. Ein Ergebnis mit dem nicht einmal S&P 500 oder Nasdaq mithalten können. Insgesamt ein Credo für beständiges Investieren und gegen die Gier: Dazu noch der Spruch des Maestro Warren Buffett: „Be fearful when others are greedy and greedy when others are fearful!“

Fazit: Japan als Blaupause für die Weltwirtschaft

Japan ist zweifellos in vielen Punkten eine Blaupause für viele Volkswirtschaften: Schuldenproblematik, Zinspolitik, Demographie und Aktienengagement. Bei Letzterem zeigt sich, welche Langfristfolgen es geben kann. Vielleicht auch ein kleiner Hinweis darauf, dass es nicht allzu geschickt sein dürfte, jetzt sein ganzes Kapital in den S&P 500 zu investieren.

Aber es ist in gewisser Weise auch eine Warnung an die Crashpropheten und deren Anhänger, vor allen Dingen denjenigen, die ihre Anlagestrategie danach ausrichten. Ein fundamental absolut untragbarer Zustand kann durch die Notenbanken noch sehr lange aufrecht erhalten werden!

Um gleich den Einspruch der Kritiker entgegen zu argumentieren: nur dann, wenn die Schulden nicht in Fremdwährung gehalten werden (Simbabwe, Venezuela, Argentinien und andere). Es geht lange gut, aber nicht ewig.

Japan als Wegweiser für die westlichen Industriestaaten?

By 663highland – Own work, CC BY 2.5, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=8349591



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13 Kommentare

  1. Irgendwie beruhigend. Wenn es noch zwanzig Jahre so weitergeht, bin ich neunzig.
    Danke Euro und EZB! Noch zwanzig schöne Jahre😉.

    1. @Columbo!
      Ja, genau! Immer schön im hier und jetzt. Was kratzt uns denn schon was in 20 oder 30 Jahren sein wird. Sollen das doch unsere Nachkommen ausbaden. Egal ob Crash, Atomenergie, Verdreckung der Ozeane, Brandrodungen, etc, etc. Also ich pers. mache mir Sorgen über diese weltweit grassierende, monetär getriebene Gedankenlosigkeit.

    2. 90 Jahre würden dann ja gut zur totalen Sklerose der Wirtschaft passen :-)

  2. Sehr geehrter Herr Fugmann!
    können sie vielleicht etwas über den S&P500 VIX sagen. der spielt doch verrückt, schwankungsbreite 25% im sekungentakt. oder ist beim Computer kaputt!
    danke doris

    1. @Vasari, scheint mir alles normal zu sein, hier der Chart von heute (auf die jeweilige Zeiteinheit klicken):

      https://de.investing.com/indices/volatility-s-p-500

  3. Auffallend , Wolfgang M. der alle Probleme kennt will anscheinend den Bullen eine Weihnachtsfreude machen.Ein willkürlicher Vergleich des Nikkei Tief 2012 mit dem Nasdaq bis heute ist fast tendenziös.
    Wenn sie das Nasdaq Tief von 2009 nehmen dann hat er nämlich bis heute fast 700% zugelegt u.nicht 300% wie der Nikkei.
    Auch beim kürzlich guten Bericht über die ETFˋs hat der gute Wolfgang M. die anstehenden Risiken eher ausgeblendet. Warren Buffet bei Ehren, aber ich würde Markus Krall u.Daniel Stelter u.s.w. im Moment mehr Beachtung schenken. Und wieder einmal, die verhöhnten Crashpropheten u.Warner sind für die Gesellschaft nützlicher als die ewigen Schönredner , die Krisen wie in 2008 verursachen u.die Schadensbekämpfung den Notenbanken mit bekannten Folgen überlassen.

    1. Nein man darf auch auf Warren schauen nicht ihne Grund sitzt er auf 125 Mrd die er JETZT nicht imvestiert, auch nicht tranchenweise.

      Die Frage ist, die ich mir eher stelle, wird eine Japanifizierung auch Weltweit parallel ohne Vertrauensverlust durchführbar sein? Ein Japaner konnte ohne weiteres nun viele Jahre in ganz andere Währungen und Indizes investiert gewesen sein, diese Fluchtmöglichkeit wird fehlen, wenn die Welt auf die Japanifizierung zusteuert….

      Es benötigt den Vertrauensverlust, aber ich denke eins wird zum anderen führen eine unaufhaltsame Kaskade, die Zinsen können nicht erhöht werden, weil die Schuldenlast zu hoch ist was unsere Rentensysteme und anderes was auf Rendite angewiesen ist in schieflage bring was balsen erzeugt die irgendwann platzen werden….

      Die Frage ist wenn die Flucht in andere Währungen usw fehlt ob die Panik nicht viel schneller kommt oder ob es den Volksaufstand braucht wenn die Mieten dank Kapitalexzessen für den der noch für Wertloses Geld arbeiten muss sich keine Wohnungmehr zahlen kann, ich glaube die kritische Masse ist unmittelbar bevor, ich glaube kaum das irgendeine Bevölernungsgruppe (ausser die 1% Supperreichen es tolelieren wird nochmals 20 Jahre Weiterso….

      Aber ich hätte auch nicht gedacht das die Chinesen Donalds Wahlkampf unterstützen und sich sls Unterhund präsentieren….

  4. Stimmt alles! Es darf eben nur keine weltweite Rezession geben und kein allgemeines Platzen der Immobilienblasen und kein Ansteigen der Zinsen und kein Sterben der Zombieunternehmen und keinen Bankenkollaps und keine sich ausweitenden Handelskriege – dann funktionierts. Es lebe das Schlaraffenland!

  5. @ Bretton Wood, unsere unterbullischen Meinungen wie auch die von H. Hesterberg sind deckungsgleich.Das Argument,dass Buffett schon länger auf viel Bargeld sitzt entkräftet auch das Argument,dass anfangs Jahr viel Geld zur Anlage fällig wird. Auch andere Portofoliomanager werden eher auf günstigere Einstiegskurse warten.In einigen Tagen beginnt der Zähler auf Null und die Käufer auf Jahrhunderthoch hätten nächstes Jahr ein Riesenproblem um Rendite zu machen.

  6. @Wolfgang Müller
    „Ein fundamental absolut untragbarer Zustand kann durch die Notenbanken noch sehr lange aufrecht erhalten werden!“
    Meine Meinung:
    Für ein derartig inhomogenes künstliches Konstrukt wie die EU ist das Ende vielleicht schneller da, als es uns lieb ist. Wieso sonst würde die FED aktuell einspringen um den europäischen Banken das Überleben zu sichern?
    Was geschieht, wenn weltweit tätige Banken US-Dollar benötigen, aber die Primary Dealer keine mehr rausrücken, da ihnen die Risiken der europäischen Banken als nicht mehr tragbar erscheinen?

    Was ist der Auslöser für das einschreiten der FED? Es handelt sich hier mit höchster Wahrscheinlichkeit um eine Knappheit an US-Dollar. Die Primary Dealer verleihen ihre Assets nicht mehr untereinander, da niemand weiß, wer wie viele hoch risikoreichen Euro-Assets in seiner Bilanz hält. Desweiteren hat die EU Bail-in-Regularien erlassen.

    Sollte sich die Lage bei den Euro-Banken zuspitzen, droht ein Totalverlust durch Bail-in (Anleger bezahlen mit ihrem Geld für die Schulden der Bank).

    Die amerikanischen Großbanken geben den Euro-Banken schlicht keinen Kredit mehr. Hier wird augenscheinlich eine allseits bekannte deutsche Großbank nur noch mit der Kneifzange angefasst.

    Die FED muß USD-Liquidität zur Verfügung stellen, damit die Euro-Banken flüssig bleiben. (da keiner mehr ihre Assets als Sicherheit akzeptiert). Würde die FED hier nicht einspringen, würde der kurzfristige Zins für USD im Wort wörtlichen Sinne explodieren( was er ja auch an besagtem 16.Dez. tat)

  7. Italien hat doch gerade wieder eine Bank mit einer Milliarde ( nicht Lira ) retten müssen.
    Wir rasen mit hundert km/ h auf die Mauer zu u.Alle freuen sich am luftigen Fahrwind. ( Börsenwind)
    Diejenigen ,die früher Krisen voraussahen waren sehr wenige, u.wurden schon früher kritisiert.
    ( Hinweis Bericht von @Columbo heute)

  8. @Kritisch on fire

    Ich weiß nicht, wie alt Sie sind. Ich kann Ihnen aber versichern, daß sich ab ca. siebzig Ihre Einstellung zu Leben und Zukunft etwas ändern wird. Da rücken, selbst wenn Sie Nachkommen haben, unweigerlich andere Dinge und andere Sorgen in den Vordergrund. Sie werden dann zwingend lernen müssen, im Hier und Jetzt zu leben. Sie glauben mir nicht? Warten Sie‘s ab.

    1. Ja, sehr geehrter Columbo. Ich darf ihnen versichern, dass sie mit rd. Siebzig von mir noch zum Holen einer Jause geschickt werden könnten. Alter ist keine Ausrede dafür sich für die Zukunft keine Sorgen zu machnen. P.S.: Entschuldigen sie meine orthographischen Fehler in der Großschreibung!

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