Anleihen

400 Milliarden Euro Rückzahlung in 5 Jahren Problem-Schulden vor einer Mega-Refinanzierungsmauer

In Europa müssen im Hochzinsbereich binnen 5 Jahren gut 400 Milliarden Euro Schulden zurückgezahlt werden. Und dann eine Refinanzierung? Das kann problematisch werden!

Die Zinswende wirkt, oft mit Verzögerung! Die Konjunktur wird mit gut einem Jahr Verzögerung negativ beeinflusst. Beim Thema Schulden könnten Probleme erst mit mehreren Jahren Verzögerung sichtbar werden – denn wer alte Kredite erst in zwei oder drei Jahren umschulden muss, hat jetzt noch kein Problem – aber bei der Umschuldung ist man als Schuldner dann plötzlich mit massiv höheren Zinslasten konfrontiert.

Refinanzierung von Schulden zu deutlich höheren Zinsen ist ein Riesenproblem

Die Zinserhöhungen mögen sich in Europa auf ihren Höhepunkt zubewegen (von aktuell 4,25 % Leitzins eventuell noch einmal weiter rauf auf 4,50 %). Den Verbrauchern, Unternehmen und Regierungen, die während der Ära der extrem niedrigen Kreditkosten Billionen von Euro aufgenommen haben, steht aber noch viel Schmerz bevor. Bis zum Ende dieses Jahrzehnts müssen Schuldner auf dem ganzen Kontinent einen Berg von Schulden zurückzahlen, die zu Zeiten aufgenommen wurden, als die Finanzierungskosten noch um ein Vielfaches niedriger waren, so Bloomberg aktuell. Zwar ist die Anpassung vielerorts — auch in den USA — schmerzhaft, in Europa trifft es die Schuldner aber besonders hart. Die Zinssätze lagen dort acht Jahre lang unter Null. Viele Kreditnehmer haben eine Refinanzierung dieser Schulden in der Hoffnung aufgeschoben, dass die Zinsen wieder sinken würden. Da sich die Volkswirtschaften jedoch größtenteils besser entwickelt haben als erwartet, verblasst dieser Wunsch zunehmend.

Investoren erwarten, dass die kommenden Jahre von Zahlungsausfällen und Ausgabenkürzungen geprägt sein werden, da ein größerer Teil der Einnahmen von Unternehmen, Haushalten und Staaten in die Finanzierung von Schulden fließt. Ein deutlicher Indikator für den bevorstehenden Umbruch ist die Kluft zwischen dem, was Regierungen und Unternehmen weltweit derzeit an Zinsen zahlen, und dem zu zahlenden Betrag, wenn sie sich zu den heutigen Konditionen refinanzieren würden. Abgesehen von einigen Monaten während der globalen Finanzkrise lag dieser Wert immer unter Null. Jetzt pendelt er um ein Rekordhoch von 1,5 Prozentpunkten.

Probleme in Europa viel schlimmer als in den USA

“Wenn Sie darauf gewettet haben, dass die 2010er Jahre die neue Normalität sind, in der die Zinssätze immer weiter sinken und Sie jederzeit refinanzieren können, dann ist dies ein wirklich schwieriges Umfeld”, sagte Mark Bathgate, ein ehemaliger Investor von Goldman Sachs und BlueBay Asset Management, der jetzt seine eigene Beratungsfirma leitet. “Die Probleme bei europäischen Krediten könnten viel schlimmer sein als in den USA. Der Spielraum für den Aufbau einer übermäßigen Verschuldung war sehr viel größer.“

Refinanzierungslawine ab 2025

Auf Unternehmen, die während der Pandemie viel Geld beschaffen mussten, kommt ab 2025 eine Refinanzierungswelle zu, die 2026 ihren Höhepunkt erreicht. Den von Bloomberg zusammengestellten Daten zufolge haben Emittenten im Hochzinsbereich in Europa in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts Schulden in Höhe von knapp 400 Milliarden Euro zu begleichen. “Während der Jahre des billigen Geldes wurde nicht so viel darüber nachgedacht, wie ein Hochzinsumfeld aussehen könnte”, sagte Danielle Poli, Portfoliomanagerin bei Oaktree Capital Management. “Wir sehen immer noch Stress auf einige Kreditnehmer zukommen, vor allem auf diejenigen, die eine aggressivere Kapitalstruktur haben.”

Viele Schulden müssen die nächsten Jahre zurückgezahlt werden

Statt Ausfallwelle wohl eher weniger Investitionen und Wirtschaftswachstum

Allerdings wird nicht erwartet, dass die Ausfallrate bei den risikoreichsten Unternehmen auch nur annähernd die 13,4% erreicht, die während der globalen Finanzkrise zu verzeichnen waren. Moody’s Investors Service prognostiziert, dass die weltweite Ausfallrate für Unternehmen mit Ramsch-Rating bis Ende dieses Jahres den historischen Durchschnitt übertreffen und im März 2024 mit 4,7 % ihren Höhepunkt erreichen wird. Für Europa wird Mitte nächsten Jahres ein Peak von 3,8 % prognostiziert.

Für die meisten Unternehmen dürften höhere Zinsen eher zu einem Rückgang der Investitionsausgaben führen, was wiederum das Wirtschaftswachstum beeinträchtigen wird. Firmen in Europa, dem Nahen Osten und Afrika haben in den ersten 5 Monaten des Jahres so viele Anleihen zurückgekauft wie seit 2009 nicht mehr, um ihre Verschuldung abzubauen und die Zinszahlungen zu senken. Andere haben versucht, die Laufzeiten ihrer bestehenden Schulden zu verlängern. Dies wird zwar oft mit einer Anhebung des Kupons versüßt, ist aber billiger, als mit einer Neuemission an den Markt zu gehen und neue Investoren zu gewinnen.

Laut Jochen Schönfelder, Senior Partner bei der Boston Consulting Group in Köln, müssen Unternehmen möglicherweise schon ein Jahr vor Fälligkeit der Schulden mit der Beschaffung von Mitteln für die Refinanzierung beginnen, falls sie neue Kreditgeber finden müssen. Bereits jetzt würden einige Unternehmen in Deutschland ihre Kosten senken und sich an private Kreditfonds wenden, wenn sie schnell Geld bräuchten.

“Viele erwarten, dass sich einige der wichtigsten Sektoren in Deutschland, wie das Baugewerbe und die Automobilzulieferer, schlechter entwickeln werden”, so Schönfelder. “Die große Frage ist, ob dies auch auf Anlagen, Maschinen und Ausrüstungslieferanten übergreifen wird und wie sich das auf den privaten Konsum auswirken wird.”

Märkte rechnen mit längerfristig höheren Zinsen

Auswirkungen auf Verbraucher

Die Verbraucher werden den Umbruch vor allem durch steigende Hypothekenkosten spüren. In vielen Ländern hat sich zudem der Anstieg der Zinssätze noch nicht in den monatlichen Zahlungen niedergeschlagen. Schweden könnte als Barometer für die Belastung dienen, die anderen Ländern bevorsteht. Nach Angaben der schwedischen Aufsicht Finansinspektionen haben sich die Kreditkosten für neue Hypothekennehmer im Verhältnis zum Einkommen bis 2022 auf 10 % verdoppelt und damit den höchsten Stand seit mindestens einem Jahrzehnt erreicht. Dies hat zu einem Einbruch der Immobilienpreise geführt und eine Reihe von Insolvenzen und Anträgen auf Schuldenerlass bei Bauherren ausgelöst.

Staaten mit viel höheren Zinszahlungen

Die höheren Zinslasten beginnen bereits, die Staatsfinanzen zu strapazieren. Weltweit müssen die von Fitch Ratings bewerteten Staaten im Jahr 2023 rund 2,1 Billionen Euro an Zinsen zahlen, was für die Industrieländer einen Anstieg von fast 50 % seit 2020 bedeutet. Für Länder wie Großbritannien, wo ein Viertel der Staatsschulden an die Inflation gekoppelt ist, ist die Belastung noch höher. Den jüngsten Daten zu den öffentlichen Finanzen zufolge war der vergangene Monat der teuerste Juli aller Zeiten, was die Zinskosten angeht.

Die Annahme vieler, dass eine tiefere Kreditkrise und eine Rezession bis Ende 2023 zu Zinssenkungen führen würden, hat sich bislang nicht bestätigt. Die Volkswirtschaften erwiesen sich als widerstandsfähiger als erwartet, so dass die Zinssätze wahrscheinlich auf einem Plateau verharren werden. Die Präsidentin der Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde, vermied es am Freitag in einem Interview mit Bloomberg, ein klares Signal für die Geldpolitik zu geben. Der Vorsitzende der Federal Reserve, Jerome Powell, hat signalisiert, dass die US-Kreditkosten hoch bleiben werden und sogar noch weiter steigen könnten.

“Die Zeitspanne, in der wir uns in diesem Umfeld höherer Kapitalkosten und restriktiver Geldpolitik befinden, ist für Kreditnehmer viel wichtiger als die Frage, wo die Zinssätze letztendlich landen werden”, sagte Amanda Lynam, Leiterin des Macro Credit Research bei BlackRock Inc.

Kommentar

FMW: Je länger die Zinsen auf einem relativ hohen Niveau bleiben, desto mehr Schuldner aller Art (Staaten, Unternehmen, Verbraucher), deren Festkredite oder Anleihen in den nächsten Jahren refinanziert werden müssen, erleben dann einen Sprung in den Kreditkosten. Ein jahrelang relativ hohes Zinsniveau kann also auch jahrelang negativ auf immer mehr Schuldner wirken, die sich in den „goldenen Jahren“ der Niedrigzinsen umfangreich verschuldet haben. Es gibt eben keinen „Free Lunch“ – das werden diese Kreditnehmer nun nach und nach feststellen. Womöglich wirkt sich dieser Effekt dann über einen längeren Zeitraum negativ auf die Konjunktur aus, wenn vor allem Unternehmen sprunghaft steigende Zinslasten sehen, und deswegen beispielsweise Investitionen einschränken müssen.

EZB-Zentrale in Frankfurt

FMW/Bloomberg



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6 Kommentare

  1. Mal sehen in welche Höhen die Inflation es bis dahin geschafft hat.
    Vielleicht können die 400 Milliarden ja aus jeder Portokasse bezahlt werden.
    Mein Opa war auch Milliardär.
    Er verdiente als Bergmann mehrere Milliarden Mark am Tag.
    Und es dauerte nur wenige Monate bis das Geld dermaßen entwertet war.
    Das passierte also nicht im Mittelalter, sondern ich kannte die Person der das passiert ist.

    Viele Grüße aus Andalusien Helmut

    1. Mein Papa war so geschätzt 30 Jahre nachdem dein Opa Milliardär war, Jungunternehmer. Er hat Gebäude, Maschinen ein Haus erworben und noch Mitarbeiter eingestellt. Da war der Zinssatz deutlich höher als jetzt aber es ging. Die Firma ist jetzt viel größer und es kracht und bebt.
      Obwohl ich verstehe was jetzt passiert denke ich oft, warum haben die es alles aufbauen können, hatten dabei gute Laune und wir sind sogar auch mal in Urlaub gefahren . Bestimmt 4x in meine 16 jährige Jugend!

      1. @Jan

        Es gibt auch heute junge, schlaue und fleißige Leute, die was aufbauen und gute Laune haben.
        Die Klagemauer von FMW (ich meine damit den Kommentarbereich) ist nicht das Zentrum des Universums.

  2. Hallo Jan, ich habe mich 1977 (mit 25 ) selbsständig gemacht als Handwerksmeister, vorher noch ein Haus gebaut, und wir hatten damals 100 Tsd DM Schulden.
    Eine schöne Zeit, und wir konnten viel Geld verdienen. Aber der Niedergang war schon vor dem Jahre 2000 unter Kohl angelegt worden, und mit Rot/Grün ging es dann richtig den Berg ab.
    Wir haben uns nur noch im Kreis gedreht.
    Als wir als Selbsständige nur noch Steine in den Weg gelegt bekommen haben, haben wir Deutschland verlassen.
    Das was wir dann in Spanien an Immobilie und Rentenansprüchen aufgebaut haben, hätten wir in Deutschland (in dieser kurzen Zeit) niemals schaffen können.
    Es ist alles ganz gut gelaufen.
    Nun sind wir Rentner und haben unsere Ruhe.

    Und ich bin kein Sonderfall.
    Viele meiner ehemaligen Schulkollegen, und Berufskollegen sowieso, hatten ein eigenes Haus.
    Gekippt ist das etwa ab 1995.
    Wer nach 2000 gebaut hat, hatte richtig zu knacken.

    Viele Grüße aus Andalusien
    Helmut

  3. Hallo Helmut, mein Vater erzählte ähnlich. Die erste Maschine hat 60.000 gekostet und war nach 6 Wochen bruto zurück verdient. Woche 7 für Kosten, Woche 8 für Zinsen, Gehalt und Schmieröl, ab Woche 9 Geld verdienen, Woche 10 noch so ein Teil gekauft, weil läuft so gut usw usw.
    Fazit: Alle regen sich auf über Zinsen aber obwohl die heute tiefer stehen als 60er und 70er Jahre ist es schwieriger Geld zu verdienen. Warum?
    Es gibt noch andere Kosten als Zinsen. Vielleicht sollten die mal gleichwertig Aufmerksamkeit kriegen, um Invest, Konsum, „Geld-Ausgebe-Bereitschaft“ klar zu machen und somit die Prognosen zu verbessern. Das tut man in Firmen, habe ich bei Betriebswirtschaft gelernt. Hat ne schönere Name aber damit es alle verstehen.
    Grüße!
    jan

  4. tja,Kapitalismus funktioniert immer am besten wenn Nachfrage auf kapital(Kredite)trifft. Da alles ein Ende hat,ist der jenige auf der sonnenseite, der rechtzeitig seine monetären Verpflichtungen reduziert und die weiteren kosten im Griff hat. Das Kunststück liegt darin,die Zeichen der zeit am Horizont zu erkennen!

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