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"Beträchtliche Risiken" bei 200 Mrd-Fonds Sondervermögen: 200 Milliarden Euro in Gefahr – Expertenaussage

Stehen weitere Sondervermögen des Bundes auf der Kippe? Experten haben besonders einen Fonds über 200 Milliarden Euro im Blick.

Deutschland-Flagge und Münzen
Deutschland-Flagge und Münzen. Foto: vitalii_petrushenko - Freepik.com

Das Bundesverfassungsgericht hatte vorgestern die Umwidmung von 60 Milliarden Euro Kreditlinie für Corona-Hilfen hin zu einem Topf für Klima-Maßnahmen (KTF) untersagt. Nun klafft im Bundeshaushalt von Jetzt auf Gleich ein Loch über genau diese 60 Milliarden Euro, in den Ministerien in Berlin dürfte Panik herrschen. Bloomberg brachte gestern die sonstigen 770 Milliarden Euro umfassenden „Sondervermögen“ der Bundesregierung ins Gespräch, die nun ebenfalls wackeln könnten. Sind auch sie konkret in Gefahr? Wenn ja, wankt dann das gesamte deutsche Staatswesen? Denn man sieht ja, es wird massiv verschuldet über solche Schattenhaushalte. Heute nun haben sich Top-Ökonomen mit dieser Thematik beschäftigt.

Weitere Sondervermögen wackeln? Analyse

Dr. Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, merkte direkt nach dem Urteil vom Mittwoch an: „SONDERVERMÖGEN“: Das Gros der Nettokreditaufnahme des Bundes läuft über Schuldentöpfe außerhalb des regulären Haushalts“. Was also, wenn es auch hier zu rechtlichen Problemen kommt? Genau diese Frage stellt sich nun das Ökonomen-Team um Dr. Jörg Krämer (nachfolgend CoBa). Wackeln auch die anderen Schattenhaushalte, die so schön als Sondervermögen bezeichnet werden?

Neben dem Klima- und Transformationsfonds (KTF) gibt es noch weitere 28 „Sondervermögen“ des Bundes, wobei das erste (Treuhandvermögen für den Bergarbeiterwohnungsbau) bereits 1951 geschaffen wurde. Nur rund 10 % der Sondervermögen haben laut CoBa eine eigene Vermögenssubstanz, das Gros der Fonds ist fremdfinanziert – entweder durch den Bundeshaushalt oder durch eigene Kreditermächtigungen.

Aufstellung zu Sondervermögen der Bundesregierung

Sorgen um Wirtschafts- und Stabilisierungsfonds Energie

In der Pauschalität sind laut CoBa die Warnungen weit überzogen, dass alle anderen Sondervermögen nach dem Urteil aus Karlsruhe ebenfalls gefährdet sind. Aber beträchtliche Risiken gebe es bei dem ursprünglich mit Kreditermächtigungen in Höhe von 200 Milliarden Euro ausgestatteten „Wirtschafts- und Stabilisierungsfonds Energie“ (WSF-Energie, hier die Details). Dieser wurde im Jahr 2022 eingerichtet, um die Belastungen der Wirtschaft durch den Ukraine-Krieg – insbesondere durch die massiv gestiegenen Energiepreise – abzufedern. Das Sondervermögen WSF-Energie hat die Rettung von in Schlieflage geratenen Energielieferanten ebenso finanziert wie die Preisbremsen bei Strom und Gas, sowie die Übernahme der Energie-Abschlagzahlungen für Dezember 2022.

Wichtig ist: Die Kritik der Richter in Karlsruhe liegt nicht grundsätzlich darin, dass die Bundesregierung sich ständig neue Projekte sucht, deren Kosten sie über die „Sondervermögen“ (besser sollte es Sonderschulden heißen) aus dem normalen Bundeshaushalt auslagert. Es geht eher um technische Kritik, nämlich um die Schuldenbremse, die beim WSF ein Problem werden könnte. Dazu die CoBA: Beim WSF wurden die gesamten 200 Milliarden Euro bei der Abrechnung der Schuldenbremse für das Jahr 2022 berücksichtigt, für das die Schuldenobergrenze noch ausgesetzt war. Damit erfolgte auch hier die vom Bundesverfassungsgericht bemängelte „Bevorratung“ finanzieller Mittel (tatsächliche Mittel oder Kreditermächtigungen), um diese in folgenden Jahren zu verwenden, ohne sie dann bei der Schuldenbremse anzurechnen. Folglich ist es laut den Experten möglich, dass das Bundesverfassungsgericht bei einer entsprechenden Klage, die von der Unions-Fraktion schon angekündigt wurde, auch die Vorgehensweise beim WSF bemängeln würde. Auch hier läge das Problem wohl nicht in der Einrichtung des Sondervermögens per se, sondern in seiner Berücksichtigung bei der Berechnung der Schuldenbremse.

Blick auf die Haushaltsjahre 2022 bis 2024

Ein entsprechendes Urteil für den WSF könnte es deshalb laut den CoBa-Experten erforderlich machen, diese Verbuchung zu verändern. Damit fiele die Bilanz für 2022 deutlich besser aus, da in diesem Jahr nur ein Teil der 200 Milliarden Euro verwendet wurde, und die für 2023 deutlich schlechter aus, da hier nun unter anderem die Ausgaben für die Preisbremsen für Strom und Erdgas berücksichtigt werden müssten. Da das Jahr aber bereits so gut wie abgelaufen ist, ergäben sich hieraus wohl keine materiellen Folgen für den Haushalt 2023.

Anders sähe dies laut CoBa für 2024 aus, in dem die Schuldenbremse nach dem erklärten Willen der Bundesregierung (und insbesondere des Finanzministers) wieder eingehalten werden soll. Die für das Jahr geplante Ausgaben aus dem Sondervermögen WSF – unter anderem für die bis April laufenden Preisbremsen – müssten nun eigentlich bei der Schuldenbremse berücksichtigt werden. Die Schuldengrenze dürfte bereits ohne Berücksichtigung der Folgen des BVerfG-Urteils ausgereizt sein. Die Löcher beim Klimafonds (30 Milliarden Euro) und beim WSF (überschlägig gerechnet weitere 10 Milliarden Euro), die aus dieser Entscheidung resultieren, können demnach nur durch Steuererhöhungen oder Ausgabenkürzungen an anderer Stelle gestopft werden.

Kommentar

Egal ob nur Änderungen wegen KTF oder KTF + WSF. Die Bundesregierung muss nun mit Blick auf die Sondervermögen Löcher stopfen, egal ob 60 Milliarden Euro oder noch mehr. Die Berliner Politik steht vor einem riesigen Problem! Die Grünen wollen ihre Projekte umsetzen – aber nun rücken die Klimaziele in weite Ferne (hier dazu ein aktueller Überblick). Christian Lindner will weder Schulden machen noch Steuern erhöhen. Olaf Scholz will… ? Also muss wohl an tausend kleinen Stellschrauben gedreht werden, an jeder Menge kleinen Budgets in sämtlichen Ressorts muss gespart werden? Das kann noch eine enorme Belastungsprobe für diese Koalition werden.

Expertenkommentar im Video

Der Börsenexperte Andre Stagge kommentiert die Auswirkungen des 60 Milliarden Euro-Lochs im Klima-Sondervermögen KTF in diesem aktuellen Video. Er bespricht womöglich anstehende Maßnahmen um das Loch zu stopfen.



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5 Kommentare

  1. Und dann kommt Fr. Merz um die Ecke mit dem nächsten Schuß im Rohr,
    um nach Karlsruhe zu ziehen. Während er an seiner Flugstaffel bastelte
    hat seine Partei eine Zeitenwende nach der anderen eingeläutet. Seine
    heutige Entrüstung ist eine schauspielerische Glanzleistung und das meine
    ich nicht mal metaphorisch.

    1. man muss ihn nicht mögen aber es ist richtig und vor allem wichtig und notwendig…. da die Politiker nun auf den Boden der Tatsachen kommen müssen und hoffentlich verstehen das alles was ausgegeben erst erwirtschaftet werden muss..
      wegschauen und sie machen lassen kann wohl kaum die Lösung sein

  2. Für und gegen.
    Welch ein Land eine Schuldensperre Aufmacht, die ganze Welt darüber lacht.
    Sich windet, schwindelt mit Namen bedacht, Sondervermögen, die Welt darüber lacht.
    Au weh, au weh, was haben wir dummes gemacht, welch Trübsal haben die uns gebracht.
    Jedoch ein neuer Name muss nur her, wie wärs mit Schuldensondervermögen oder Abgesondertes Schuldenvermögen, oder Vermögende Schulden mit Sperrfunktion.

  3. Jeder kennt es selbst, wenn die Mittel knapp sind , überlege ich mir was ich mir davon kaufe. Wenn die Mittel reichlich vorhanden sind, kaufe ich mir auch mal was, was nicht unbedingt notwendig ist. Jetzt ist die Regierung gezwungen darüber nachzudenken, was sie mit den vorhandenen Mitteln macht. Schon daher ist die Schuldengrenze zu begrüßen.
    Außerdem müssen die Politiker lernen – Verfassungsrecht ist zu beachten, und wie sagt Fugmann immer wieder, der Mensch geht immer den Weg des größten Schmerzes. Wobei ich denke, dass der herbeigeführte Verfassungsbruch taktisch motiviert war, oder dem Zeitgewinn diente, denn die Haushaltsrundsätze der Jährigkeit, der Jährlichkeit und Fälligkeit lernt man im ersten Semester des Verwaltungsstudiums.

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