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Lagarde und ihre Amtskollegen sind sich einig Zinsen: EZB-Mitglieder signalisieren erste Zinssenkung im Juni

Zinsen: EZB-Mitglieder signalisieren erste Zinssenkungen im Juni

Alles dreht sich an den Finanzmärkten derzeit um das Thema Zinsen. Wann beginnen die EZB und Fed mit den Zinssenkungen und in welchem Ausmaß werden sie die Zinsen senken? Je nachdem, wie die aktuellen Erwartungen an den Märkten gerade sind, schlägt das Pendel in die eine oder andere Richtung aus. Zum Ende des letzten Jahres trieben die Zinshoffnungen die Aktienmärkte auf neue Rekorde. Zuletzt setzte jedoch eine Korrektur ein, da die Märkte ihre überzogenen Zinssenkungserwartungen neu kalibriert haben. Es ist ein stetiges Auf und Ab – sowohl der Gefühlslage als auch der Kurse.

Die Chefin der Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde, als auch ihre Amtskollegen, die bis vor kurzem noch vorsichtig waren, wenn es darum ging, Zinssenkungen auch nur zu diskutieren, scheinen nun zunehmend offen dafür zu sein, sie im Juni zu beginnen, so berichtet Bloomberg.

Zinsen: EZB-Chefin Lagarde und Amtskollegen sind offen für eine Zinssenkung im Juni
EZB-Präsidentin Christine Lagarde während eines Interviews im Bloomberg am zweiten Tag des Weltwirtschaftsforums (WEF) in Davos, Schweiz, am Mittwoch, 17. Januar 2024. Foto: Bloomberg

EZB: Lagarde und ihre Kollegen signalisieren Zinssenkung

In dieser Woche wiesen EZB-Präsidentin Christine Lagarde und mehrere ihrer Kollegen in Davos die Wetten der Anleger auf frühere Zinssenkungen zurück. Sie deuteten jedoch an, dass ein Zinsschritt gegen Mitte des Jahres möglich sei, wenn man mehr über Inflation, Löhne und die stotternde Wirtschaft sowie die Beeinträchtigung der Lieferketten durch die Huthi-Rebellen im Jemen wisse.

Als sie im Bloomberg House zu einer Zinssenkung im Sommer befragt wurde, bezeichnete Lagarde diese Aussicht als „wahrscheinlich“. Obwohl sie darauf hinwies, dass die Unsicherheit nach wie vor groß ist und nicht alle Indikatoren so sind, wie es die EZB gerne hätte. Die Märkte dürften ihre Aussage wohlwollend zur Kenntnis nehmen, da sie die Absicht der Zentralbank unterstrich, die Zinsen spätestens im Sommer zu senken.

„Die Aussagen kamen etwas überraschend – wenn die EZB-Präsidentin so etwas sagt, ist das wie eine Vorabverpflichtung“, sagte Carsten Brzeski, Global Head of Macro bei ING. „Nach diesen Äußerungen scheint eine Zinssenkung im Juni sehr wahrscheinlich zu sein.

Inflation: Zinswetten hinderlich

Da am Donnerstag die einwöchige Ruhephase vor der nächsten EZB-Sitzung beginnt, wird es einige Tage keine neuen Hinweise geben. Die EZB-Verantwortlichen werden sich zum Thema Zinsen erst wieder im Anschluss an die Sitzung äußern, wenn sie ihre Erklärung am 25. Januar veröffentlichen.

Die Anleger müssen sich daher mit den jüngsten Äußerungen zufriedengeben, die im Fall von Lagarde eine Warnung enthielten. Sie sagte, dass übermäßige Zinswetten, die eine Lockerung der Finanzbedingungen nach sich ziehen, das Erreichen des Ziels einer Inflationsrate von 2 % erschweren könnten.

Anfang dieser Woche sagte Bundesbankchef Joachim Nagel, dass die „Sommerpause“ ein geeigneter Zeitpunkt sein könnte, um eine erste Zinssenkung in Erwägung zu ziehen, nachdem er zuvor Gespräche zu diesem Thema als verfrüht bezeichnet hatte.

Zinsen: Händler passen Zinserwartungen an

Die Wirkung der Äußerungen von EZB- und Fed-Offiziellen auf die Märkte wurde durch starke US-Wirtschaftsdaten und eine überhöhte Inflation im Vereinigten Königreich noch verstärkt, was die Händler dazu veranlasste, ihre Wetten auf sinkende Zinsen zu reduzieren.

Was die EZB anbelangt, so tendieren die Geldmärkte nun zu fünf Zinssenkungen um jeweils einen Viertelpunkt im Jahr 2024 anstelle der sechs, die noch in der vergangenen Woche voll eingepreist waren. Sie gehen von einer Lockerung um 136 Basispunkte bis zum Jahresende aus, wobei eine 80 %ige Chance besteht, dass die erste Senkung im April erfolgt.

Das würde einen abrupten Gangwechsel in Frankfurt voraussetzen, aber ein solcher ist laut Denis Lehman, Chief Investment Officer für Wertpapiere bei Swiss Life Asset Managers France, durchaus möglich.

„Sie sagen uns, dass unsere Wetten zu aggressiv sind, aber das ist unsere Aufgabe, das ist unser Ziel“, sagte er. „Unser Standpunkt ist, dass die Anpassung der Zinsprognosen kommen wird, und zwar eher früher als später. Im Gegensatz zu den Märkten rechnen Ökonomen erst im Juni mit einer ersten Zinssenkung.

Von den EZB-Vertretern hat sich allerdings nur der Portugiese Mario Centeno zu Wort gemeldet, der die Möglichkeit eines Handelns vor den Ergebnissen der Lohnverhandlungen zu Beginn des Jahres – wahrscheinlich im Mai – in Erwägung zieht.

EZB: Währungshüter sind sich einig

Sein österreichischer Amtskollege – der Erzfalke Robert Holzmann – hat gewarnt, dass Zinssenkungen in diesem Jahr keineswegs garantiert sind, wenn die Spannungen, wie sie im Nahen Osten herrschen, weiter eskalieren.

Im Großen und Ganzen schienen die Währungshüter aber einer Meinung zu sein.

In einer Rede in Wien sagte der litauische Notenbankchef Gediminas Simkus, er sei „weniger optimistisch als die Märkte, was Zinssenkungen im März oder April angeht“, obwohl ein Schritt im Laufe des Jahres wahrscheinlich sei. Bostjan Vasle aus Slowenien sagte, es sei „absolut verfrüht, die erste Senkung der Zinsen für den Beginn des zweiten Quartals zu erwarten“.

Damit liegt der Fokus auf Juni, wenn die EZB neue vierteljährliche Projektionen für Inflation und Wirtschaftswachstum vorlegen wird, die häufig die Grundlage für wichtige politische Entscheidungen bilden.

Während die Inflation im Jahr 2023 gesunken ist, stieg sie im Dezember sogar wieder leicht an, wenn auch nur aus statistischen Gründen, die sich als vorübergehend erweisen dürften. In der Zwischenzeit liebäugelt die Eurozone weiterhin mit einer Rezession, die den Preisdruck weiter abschwächen könnte, falls sie denn eintritt.

Deutschland, die größte Volkswirtschaft in der Region, gab diese Woche bekannt, dass das Bruttoinlandsprodukt in 2023 zum ersten Mal seit der Pandemie geschrumpft ist und bestenfalls ein schwacher Aufschwung zu erwarten ist.

FMW/Bloomberg



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