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Zinsen – warum Senkungen nicht mehr wirken

Es ist derzeit eines der Hauptthemen in den Wirtschaftsmedien: die nicht mehr vorhandenen Zinsen beziehungsweise die Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank und ihre fatale Wirkung auf Sparer und Vorsorgesysteme. An dieser Stelle möchte ich noch mal einen Blick darauf werfen, warum es so deutlich wird, dass Senkungen der Zinsen ab einer gewissen Höhe keine Wirkung mehr entfalten können.

 

Die Notenbanken als Retter in der Not durch Senkung der Zinsen

Die Zentralbanken dieser Welt haben nach der Finanzkrise von 2009 mit ihren Zinssenkungen und den großen Kaufprogrammen dafür gesorgt, dass die Wirtschaft wieder in die Schwung kam, aber in Wirklichkeit war es auch ein richtiges Bankenrettungsprogramm.

Klar profitierten auch Bürger und damit Konsumenten von den niedrigen Zinsen: durch die Verbilligung der Kredite, aber auch, falls man dort investiert war, von der großen Hausse an den Aktienmärkten sowie an den Rentenmärkten, die bei den fallenden Renditen große Kurssteigerungen seit dieser Zeit aufweisen können.

 

Senkungen der Zinsen laufen ins Leere

Wirtschaft hängt im großen Maße von der psychologischen Verfasstheit der handelnden Akteure ab, von deren Hoffnungen, aber auch von deren Ängsten.

So hatten die Rettungsaktionen („Ihre Bankeinlagen sind sicher.“) von Staat und Notenbanken der taumelnden Weltwirtschaft zu einem neuen Aufschwung verholfen – allerdings begleitet von großen Schulden der Staaten, aber auch von Unternehmen und Konsumenten, die das billige Geld weidlich ausnutzten.

Seit 2016, als EZB Chef Mario Draghi die Leitzinsen auf null Prozent gesenkt und Anleihen in Höhe von mittlerweile 4,7 Billionen Euro aufgekauft hat, werden die konjunkturellen Auswirkungen dieses „Notprogramms“ aber immer geringer (siehe dazu auch „EZB – Bazooka ist nur eine Konfettikanone“). Langsam aber sicher werden die Kehrseiten dieser Politik immer deutlicher sichtbar. Damit gilt schon seit längerer Zeit das Gesetz des abnehmenden Grenzertrags.

Die große Idee der Notenbank war, dass Konsumenten die Kreditzinsersparnisse für den Konsum nutzen, die Unternehmer für Investitionen und die Staaten für die Rückführung der ausgeuferten Staatsschulden. Das Ganze hat aber nicht so funktioniert wie in der Planung, die Schuldenreduzierung flacht ab, das Investieren hält sich in Grenzen und die Sparer (vor allem die Deutschen) verhalten sich erst recht systemwidrig im Sinne der Notenbank. Das System der finanziellen Repression, also des Abbaus von Staatschulden auf Kosten des Sparers, hat eigentlich nur in Deutschland so richtig funktioniert – aber dafür sinkt auch dort das Wachstum besonders stark.

 

Rückgriff auf alte Instrumente

Obwohl diese Rezepte also nicht die gewünschte Wirkung gezeigt haben und das Wachstum deutlich nachgelassen hat, greift die EZB zu den alten Werkzeugen: Weitere Zinssenkungen und „scheinbar unbegrenzte“ Anleihekäufe. Wie bereits beschrieben, werden diese Senkungen der Zinsen keine Wirkung bei der Kreditvergabe der Banken auslösen. Die Banken schwimmen bereits in Liquidität. Und Unternehmen, die bereits stark verschuldet sind und Angst um ihre Auftragslage haben, werden nicht noch mehr investieren, egal, wie günstig die Finanzierung ist.

Aber wie wird der Sparer reagieren, angesichts der Aussichten auf eine lange zinslose Periode, die das Kapital auf fast heimliche Art über die Inflation verringert? Konsumieren oder gar auf dem Aktienmarkt investieren? Doch nicht der deutsche Anleger: Er wird vermutlich sein bisher gezeigtes Verhalten forcieren. Hier könnte so etwas wie eine Spirale der negativen Erträge zum Zuge kommen, mit der Folge, dass Zinssenkungen immer weniger zu einem Anstieg des Konsums beitragen und ihm ab einem bestimmten Punkt sogar schaden.

Zur Erklärung: deutsche Anleger sind in überaus großem Ausmaß im Geld- und Anleihemarkt investiert (kaum verwunderlich, bei der 15-Prozentquote der deutschen Aktienbesitzer). Damit muss der Sparer, der in diese Produkte mit sinkender Rendite investiert hat und deren Ertrag sich in kümmerlichen Dimensionen akkumuliert, noch mehr sparen, um einen Zuwachs zu erzielen.

Dass dies keine Theorie ist, beweisen die Zuflüsse in Renten- und Geldmarktfonds, die 2019 weiter gestiegen sind –  eben wegen der niedrigeren Verzinsung. Ein von der EZB nicht erwartetes Paradoxon, speziell in Deutschland.

Jetzt könnte man sagen: „warum investiert der deutsche Aktienmuffel nicht endlich mehr in Dividendentitel“? Vielleicht trauen die Anleger der Aktienrallye nach zehn Jahren Dauer nicht mehr über den Weg, bei all den schrecklichen Meldungen über den Handelskrieg und Donald Trump, der ständiges Thema in den Medien ist.

Schließlich kommen ja gerade aus Deutschland die größten Negativbotschaften bezüglich der Konjunktur. Besonders die Automobilindustrie – mit Deutschlands liebstem Kind, dem Automobil – sorgt schon seit geraumer Zeit für Negativschlagzeilen. Auch wenn der deutsche Durchschnittssparer über kein differenziertes Finanzwissen verfügt, so weiß er auf alle Fälle, dass in einer Rezession die Aktienkurse erst einmal gewaltig einbrechen. Auch gibt es derzeit keinen Manfred Krug, der wie „anno dazumal“, medienwirksam für eine deutsche Volksaktie trommelt.

Zusammengefasst: noch niedrigere Zinsen animieren nicht zum Konsum, ganz im Gegenteil, liebe EZB!

 

Fazit

Was bleiben jetzt noch für Alternativen? Mario Draghi hat es bei seiner Pressekonferenz schon unfreiwillig angedeutet: Der Ball liegt jetzt im Spielfeld der Staaten, sprich in den Händen der Politiker, die mit Konjunkturprogrammen das Wachstum fördern sollen – ein Eingeständnis, dass die Notenbank mit ihrem Latein am Ende ist. Es geht um die Umsetzung der Forderung, die Wirtschaft staatlich anzukurbeln, um die wachsende Gefahr eines starken allgemeinen Konjunkturabschwungs abzufedern. In Deutschland weigerte sich die Politik bisher sehr dagegen, aufgrund mangelnder Haushaltsspielräume – eben wegen der schwarzen Null.

Aber der deutliche Abschwung im verarbeitenden Gewerbe bringt viele deutsche Politiker langsam zum Umdenken. In Europa wird die ehemalige IWF-Chefin Lagarde, als Spezialistin für die Staatenrettung, so etwas sicher stark unterstützen. Für die USA bräuchte man sich in dieser Hinsicht gar keine Gedanken zu machen, dort laufen im Umfeld Trumps schon zahlreiche konjunkturpolitische Planspielchen – wenn da die Mehrheit der Demokraten im Abgeordnetenhaus nicht wäre. So dominiert derzeit bei den Zentralbanken weiter der Versuch den Sparer zum Konsumieren zu nötigen „mit untauglichen Mitteln am untauglichen Objekt“.

 

Der Effekt weiterer Senkungen der Zinsen verpufft zunehmend



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6 Kommentare

  1. Ich habe meine Altersversorgung seit 20 Jahren in physischem Gold investiert.
    Für die mehr als Vervierfachung des Kurses musste ich legal keine Steuern zahlen; heute als Rentner auch keine Beiträge zu der Sozialversicherung.
    Ich bin so „arm“ das die Rentenversicherung mir schon mitgeteilt hat, dass ich überprüfen sollte, ob ich die Grundsicherung beantragen kann.
    Das werde ich natürlich nicht tun, sondern mir mit den Unzen, von denen auch niemand etwas weiß, einen schönen Lebensabend machen.
    Wenn ich dann von der Welt gehe, wird noch eine Menge an Unzen vorhanden sein, die sich meine Kinderchen dann teilen können.
    Ich habe mit keinem Finanzamt oder irgendwelchen Leuten zu tun, wenn ich nach Einkommen gefragt werde.
    Die AOK zieht mir von meiner Minirente etwa 38,00 Euro im Monat für die Krankenversicherung und die Pflegeversicherung ab.

    Viele Grüße
    H. J. Weber

    1. @ Helmut Josef Weber
      Sehr gut gemacht! Das ist auch aktuell genau die richtige Strategie. Immobilien sind schon viel zu teuer, machen einen Haufen Arbeit und produzieren ständig Kosten und obendrein können sie auch ganz schnell vom Staat teilenteignet werden. Und Aktien kommen auch nicht mehr in Frage, denn wenn die Dividendenpapiere auch noch 20 oder 30 Prozent weiter steigen sollten, so werden die Kurse nach dem dann erst recht unvermeidlichen Börsenkrach viel tiefer stehen als heute, was so sicher ist, wie das Amen in der Kirche. Physisches Gold jedoch blickt wahrlich goldenen Zeiten entgegen und Silber ist gar noch besser.

    2. @Helmut Josef Weber

      Also knapp am Existenzminimum und damit plausibel.

      Den Wert möchte ich in der gesetzlichen Rentenversicherung auch erreichen. Ich rechne allerdings damit, dass in der gesetzlichen Krankenkasse für Rentner bald sämtliche Einnahmen zu verbeitragen sind, also auch Kapitalerträge und Erträge aus V+V.

      350 EUR nach jetziger Kaufkraft werden wohl für KKV, Pflege und private Zuzahlungen oder Zusatzversicherung benötigt.

  2. Jetzt muss das viele Geld ja endlich verteilt werden es wird nicht lange gehen und alle Bedenken von schwarzer Null gehen über Bord, es spielt ja keine Rolle ob sich Deutschland nur theoretisch im Rahmen der Target Salden verschuldet (die sowieso nie mehr bezahlt werden) oder auch praktisch.

    Wie lange wird man dem Ballon damit nochmals aufblasen können? Wann kommt bei der Mehrheit Zweifel auf das Geld nichts mehr Wert werden oder sein könnte….irgendwann oder niemals?

  3. Aber auch die Regierung steckt in dem Dilemma, dass der Abschwung noch nicht wirklich raumgreifend ist. Wie oft hören wir, dass stattliche Zuschüsse nicht abgefordert werden von Kommunen, weil die Dienstleister und Handwerker fehlen, um die Arbeit zu machen. Jetzt ein Konjunkturprogramm und die Kosten für längst überfällige Sanierungsarbeiten explodieren…für ein richtiges Konjunkturprogramm muss es schon noch etwas weiter runter gehen hinsichtlich Konjunktur, sonst macht das keinen Sinn…erst wenn die Wirtschaft wirklich keine Nachfolgeaufträge mehr hat in einem Jahr, dann können Konjunkturprogramme helfen, weil dann wirklich Nachfrage auch auf Auftragnehmerseite ist und eventuell auch wieder ein Preiskampf…

  4. Pingback: Zinsen - warum Senkungen nicht mehr wirken - finanzmarktwelt.de - Money Office News

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