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Warum der 86 MRD Griechenland-Deal so glatt und still über die Bühne lief…

Von Claudio Kummerfeld

In nur wenigen Tagen hat Griechenland ohne jegliche öffentliche Schuldzuweisung oder Schlammschlacht das 3. Rettungspaket über 86 Milliarden Euro mit den Europartnern ausgehandelt. Wie das? Dafür gibt es zwei Gründe.
Griechenland Euklid Tsakalotos
Der neue griechische Finanzminister Euklid Tsakalotos
Foto: SinnFein / Wikipedia (CC BY 2.0)

Das 3. Rettungspaket für Griechenland über 86 Milliarden Euro ist ausverhandelt und wird jetzt zügig durch das Parlament in Athen gepeitscht. Danach müssen es „nur noch“ die Parlamente und Regierungen der Eurozone beschließen. Der Text soll so lang sein, dass die deutsche Bundesregierung mehr Zeit ergeten hat, um alles in Ruhe lesen und prüfen zu können, was da ausverhandelt wurde. Erstaunlich schnell wurde verhandelt, und doch drängt mal wieder die Zeit, denn schon nächste Woche sind 3,4 Milliarden Euro Rückzahlungsrate an die EZB fällig. Wie schaffte es die Regierung in Griechenland eine Woche vor der prognostizierten Frist fertig zu werden?

Varoufakis vs Tsakalotos

Ein regelrechter Zeitenwechsel ist angebrochen, so kann man EU-Quellen zitieren. Seit Yanis Varoufakis weg ist und durch den „stillen Arbeiter“ Euklid Tsakalotos ersetzt wurde, seien die Verhandlungen konstruktiv und inhaltlich gelaufen, ohne dass man sich einen Großteil der Zeit allgemeine wirtschaftstheoretische Vorträge von Varoufakis anhören müsse. Varoufakis sei bei Detailverhandlungen (da braucht man keine große Vorstellungskraft) zu Fachthemen immer gerne und oft ins Allgemeine und Theoretische abgeglitten, als wäre er noch in einem Hörsaal an der Uni.

Sein Nachfolger Tsakalotos ist dagegen der Arbeiter, der anstatt täglich Kolumnen zu schreiben und TV-Interviews zu geben, in seinem Ministerium die notwendige Arbeit verrichtet. Laut EU-Quellen könne man mit ihm zügig und direkt Fachthemen besprechen. Jetzt könnte man unterstellen Tsakalotos sei ein Technokrat. Aber nein, er ist Gründungsmitglied und Parteivorstand bei Syriza – also definitiv ein Linker.

Griechenland nimmt jetzt alles hin, was da kommt

Alexis Tsipras hat mit seinem NEIN und kurz darauf mit seinem JA die Marschroute vorgegeben. Öffentlich verkündete er, Griechenland werde das neue Hilfspaket annehmen und umsetzen, aber er persönlich glaube nicht daran. In Brüssel war er mit seiner Taktik, durch ein NEIN-Referendum seiner Bevölkerung Geld ohne Auflagen oder einen Schuldenschnitt zu bekommen, brutal gegen eine Betonwand gelaufen. Seitdem ist ihm klar: da geht gar nichts. Er agiert jetzt als Staatsmann – ihm ist klar, dass er jetzt nur noch eines tun kann: den totalen Kollaps von Staat und Bevölkerung zu verhindern, dafür muss er jetzt über alle vorigen ideologischen Vorbehalte hinwegsehen.

Was ist Tsipras´Botschaft an seine Regierung und die Minister, wenn er sagt „… aber ich selbst glaube nicht daran“? Winkt alles durch, akzeptiert alle Forderungen der Europartner, Hauptsache neues Cash kommt rein. Wenn alle notwendigen Parlamente und Regierungen das neue Paket durchwinken, können 86 Milliarden Euro vom ESM nach Griechenland fließen. Man kann dann die nächsten drei Jahre seinen Ratenzahlungsverpflichtungen nachkommen und den Staatshaushalt so gerade eben am Laufen halten.

Ob der 86 Mrd-Deal dann letztlich ein Erfolg wird, also ob man damit wirklich das Land retten und umstrukturieren kann, und das in nur drei Jahren, ist eine ganz andere Frage. Aber Alexis Tsipras hat sich für die Nachwelt schon eine perfekte Begründung zurecht gelegt, warum es schief ging. Er habe ja schon damals im Sommer 2015 verkündet, dass er nicht an das Programm glaube, aber gezwungen wurde es durchzuführen. So wird es vermutlich in 3, 4 , 5 Jahren heißen, wenn Griechenland als Staat evtl. doch in die Pleite geht und den Euro verlassen muss. Aber als Daueroptimist hofft man jetzt erst mal das Beste für Griechenland!



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2 Kommentare

  1. Bei diesem Wünsch-dir-was-Konzert ist bis jetzt mal so überhaupt nichts glatt&still über die Bühne gelaufen!Blumige Ankündigungen sind keine Tatsachen.Der Deutsche hat das aber nach Jahren der Erikamacht vergessen!

  2. Der zweite Grund dürfte der Entscheidende sein- die Griechen nicken jetzt klaglos alles ab, was dieTroika ihnen vorsetzt, nachdem sie den Griechen die Instrumente gezeigt hat.
    Den theoretischen „Vorlesungen“ hätte die versammelte Politikerschar vielleicht besser zugehört, statt gelangweilt über fehlende Krawatten zu lästern. Dann wäre vielleicht ein volkswirtschaftlich sinnvoller Lösungsansatz herausgekommen, anstelle der wahnwitzigen Verschärfung der Auteritätspolitik. Vielleicht ja dann beim vierten Paket, oder beim fünften….. wenn bis dahin der Folterkeller Eurozone nicht kollabiert ist.

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