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Aktienmärkte: Trotz Rally gestern – die Euphorie ist auf dem Rückzug

Die Exzesse um GameStop und Co, erluste der Hedgefonds und Rettungsmaßnahmen der Neobroker haben die Aktienmärkte letzte Woche erschreckt

Die Exzesse um die „Most Shorted Stocks“, GameStop und Co, die Verluste der Hedgefonds und die Rettungsmaßnahmen der Neobroker, haben die Aktienmärkte letzte Woche erschreckt. Die Furcht ist den Großanlegern in die Glieder gefahren, nicht so sehr den RobinHoodern, die ihren Kampf gegen das Establishment fortsetzen wollen. Einige heiß gelaufene Indikatoren haben sich spürbar beruhigt. Wird damit eine größere Korrektur der Aktienmärkte wieder etwas nach hinten verschoben?

Aktienmärkte: Die allgemeine Lage

Gestern ist scheinbar Ruhe eingekehrt, es gab keine weiteren Berichte von Schieflagen oder Notfinanzierumgen bei Hedgefonds oder Neobrokern und die Kurse erholten sich von ihren Rückschlägen – eine technische Korrektur der Aktienmärkte, bisher. Die großen Adressen hatten sich vorsichtig verhalten, wenn sie sich weiter in größerem Stil von Aktien hätten verabschieden wollen, wäre dies vermutlich am Montag ab 15:30 Uhr geschehen, wenn es der Markt möglich macht. Dennoch: Das Big Money ist lange nicht so euphorisch wie die Kleinanleger, Insider trennen sich weiter von Aktien und die Sentimentindikatoren sehen eine deutliche Entspannung im Hinblick auf zuviel Euphorie.

Das Angstbarometer Fear&Greed steht immer noch im leichten Angstbereich bei 39 Punkten. Die Stimmung der Investoren, AAII-Daten (American Association of Individual Investors), wöchentlich ermittelt, zeigte schon letzte Woche einen deutlichen Rückgang.

Aktienmärkte: Die Euphorie lässt nach

Die ganz große Euphorie gab es schon infolge der Impfstoffmeldung Anfang November 2020.
Auch die Investitionsquote der Fondsmanager hat sich aus ihrem gehebelten Verhältnis von über 100 Prozent deutlich nach unten bewegt.

Wirtschaftsindikatoren und Berichtssaison

Was die US-Berichtssaison betrifft, gibt es in Summa keinen Gegenwind für die Aktienmärkte. Nachdem 38 Prozent der großen Unternehmen ihre Q4-Zahlen gemeldet haben, liegt die Quote derer, die die abgesenkten Erwartungen übertroffen haben, bei 85 Prozent, man lag zuletzt im Schnitt 17 Prozent über den Schätzungen.

Der Einkaufsmanagerindex ISM (Institute for Supply Management ) für das Verarbeitende Gewerbe hat zu Beginn des Jahres zwar von 60,5 auf 58,7 Punkte nachgegeben, liegt aber noch weit über 50 Punkten und damit über der Wachstumsschwelle.

Die besondere Lage

Auch wenn es keine Meldungen im Umfeld der Attacken auf die Hedgefonds durch die Generation RobinHood in Verbindung mit der Pattform wallstreetbets gibt, ist die Sache noch nicht zu Ende.

Die aktuellen Gefahren sind noch nicht vom Tisch, derzeit hat sich das Spielfeld auf den Rohstoffmarkt und Silber verlagert – FMW berichtete schon ausführlich. Hinter den Kulissen, in der Politik und bei den Regulierern brodelt es aber, mit Problem bei Neobrokern und Clearingstellen, wie von Markus Fugmann gestern beschrieben.

RobinHood hat anscheinend am Montag weitere 2,4 Milliarden Dollar von seinen Investoren erhalten, um ausreichend Sicherheiten für die Clearinghäuser vorweisen zu können.

Wie ebenso von der Wall Street berichtet, haben die vielen Inhaber von Call-Optionen, zwar in der letzten Woche große Verluste einstecken müssen, aber sie haben noch nicht aufgegeben.

In Zahlen: 87 Millionen Kontrakte am Optionsmarkt im 4-Wochen-Durchschnitt, was für ein Rekord, aber kleinere Volumina, hinter denen Privatanleger stecken müssen. Aber was haben diese gemacht? Sie haben die Verluste bei Calloptionen letzte Woche nicht etwa genutzt, um das Depot auszugleichen – sondern sie haben die Positionen sogar noch erhöht, um die Verluste auszugleichen. So etwas geht nach aller Erfahrung nie gut. Es galt schon immer der Grundsatz: Leverage kills!

Noch ein paar Anmerkungen zum Kampf Kleinanleger gegen Hedgefonds und Big Money:

Auf der Plattform wallstreetbets tummeln sich zwar bereits 7 Millionen Anleger und es gibt schon 13 Millionen Depots bei RobinHood, mit einer Depotgröße vor einigen Wochen im Schnitt von 1000 bis 5000 Dollar. (Gesamtvolumen 20 Milliarden Dollar). Auf der anderen Seite gibt es fast 10.000 Hedgefonds, von denen in jedem Jahr Hunderte aufgeben müssen.

Deren Anlagevolumen beträgt aber mehrere Billionen Dollar, genauer gesagt ist das verwaltete Vermögen laut den Daten von Hedge Fund Research (HFR) im vierten Quartal 2020 um den Rekordwert von 290 Milliarden Dollar gewachsen – auf insgesamt 3,6 Billionen Dollar.

Nach Angabe einer Großbank beläuft sich die Summe aller Shortpositionen an der Wall Street auf 800 Milliarden Dollar. Das Perfide an der jetzigen Situation der Aktienmärkte ist, dass die jungen Anleger zwar zur Jagd aufrufen, der große Schaden aber vermehrt durch die Konkurrenz im Haifischbecken der Hedgefonds selbst entsteht, die bekannt sind, für ihre hohen Fondsgebühren. Aufgrund des Risikos, die diese Branche eingeht, betrug die durchschnittliche Lebenszeit von Hedgefonds in den letzten Jahrzehnten nur etwa fünf Jahre.

Demokratisierung des Aktienhandels hin oder her, Kampf Klein gegen Groß: In den letzten drei Rezessionen, die ich aktiv am Markt erlebt habe, glaubten stets am Ende einer Hausse viele, die großen Gewinne machen zu können. Bei der Internet-Bubble im Jahr 2000 gaben sogar nicht wenige ihren Beruf auf, um vom Daytrading leben zu können. Wie gerade erwähnt, die Großen werden vorsichtiger, die Kleinen erhöhen ihr Engagement in Calls. Eigentlich ein untrügliches Zeichen für die Aktienmärkte.

Wann haben die so genannten „Kleinen“ in Ihrer Masse je bei einem Crash zum Ende eines Zyklus profitiert? Nicht einmal Warren Buffett, der bereits sieben Rezessionen mit seiner konservativen Buy and Hold-Strategie erlebt hat, wird sich daran erinnern können.

Denn das eigentlich Unglaubliche ist doch: „Robin Hood is making money by selling its order flow“, an die Branche, die über Kapital und Hochgeschwindigkeitsrechner verfügt. Und die man eigentlich mit den konzertierten Aktionen in die Knie zwingen will.

Unterstützung aus Deutschland

Natürlich bleiben diese Vorgänge kein US-Thema, durch die sozialen Medien ist die Welt ein Dorf geworden. Auch in Europa findet die Bewegung Unterstützer, so auch in Deutschland. Dies wird erkennbar am Handelsvolumen der GameStop-Aktie an den deutschen Handelsplätzen. Der Finanzdienstleister Refinitiv berichtet von mehr als fünf Millionen gehandelten GME-Aktien in der letzten Woche. Am Donnerstag den 21. Januar lag das Handelsvolumen noch bei gut 75.000 Aktien, am 29. Januar waren es dagegen fast 1,5 Millionen Papiere. Was bedeutet dies?

Auf alle Fälle, dass die deutschen „Redditianer“ verhältnismäßig spät an der großen Sause der Aktienmärkte teilgenommen haben und zu Einstiegskursen, die bereits deutlich im dreistelligen Euro-Bereich begonnen haben.

Fazit

Vor dem Wochenende hatten große Sorgen geherrscht: Angst vor den möglichen Folgen der Spekulationsexzesse für die Aktienmärkte mit Schieflagen von Hedgefonds und Neobrokern. Eine natürliche Reaktion von Marktteilnehmern vor handelsfreien Tagen, die sehr häufig feststellbar ist, ein wenig Absicherung, ein paar Glattstellungen. Wenn dann am Montag doch nicht das große Unglück geschehen ist, erfolgt zu Wochenbeginn die Auflösung der Absicherung, Rückkäufe und ein positiver Wochenstart. Sicher keine Regel, aber allein die Ära Trump hat die Marktteilnehmer vorsichtig werden lassen, denn man wusste nie, was ein paar Twittermeldungen mit Drohkulissen anrichten könnten. Jedenfalls lässt sich aus dem gestrigen Tag noch nicht allzu viel Entscheidendes hinsichtlich der Verfassung der Aktienmärkte ablesen – zu undurchsichtig ist die Schattenbranche, zu unkalkulierbar die neue Bewegung. Aber die Korrektur als solche war nicht besonders stark, um bereits von einer Trendwende zu sprechen..

Die Euphorie der Aktienmärkte hat nachgelassen



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1 Kommentar

  1. Mani- Pulator Hoch 10

    Guter Bericht mit dem Aufzeigen der Grössenordnung der vielen Profi- Hedger imVergleich zu den neuen Teilzeit Neulingen.Auf einer andern Plattform wurden sie treffend als Handlanger der Grossen Hedger genannt. Sie können zwar mit Hilfe eines Grossen und dem Einsatz des ganzen Kapitals eine Lawine anstossen, am Schluss werden sie todsicher darin untergehen.
    Das Kapital dieser Baby Zocker beträgt weniger als 1% aller Hedgefonds und ist somit vernachlässigbar.
    Darum sind sie nur fähig bei kleinen wertlosen Firmen etwas zu bewegen.Warum haben sie nicht den Trend der andern Shorter verstärkt und haben nicht geshortet? Wäre gemäss m.M. erfolgversprechender gewesen.
    Wenn jetzt über Regulationen u.s.w. gesprochen wird, geht das grosse Problem ein wenig unter.
    Was ist mit den grossen kriminellen Notenbank- Manipulatoren die die ganzen Weltmärkte von tausendfachen Volumen stützen?

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