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Das gigantische Problem der EZB

Die EZB steht vor einem gewaltigen Problem, welches sie sich selbst geschaffen hat. Die USA kamen sehr schnell wieder raus aus der Finanzkrise, dank schneller und klarer Maßnahmen. Und so lag man auf der anderen Seite des Atlantiks mehrere Jahre vor Europa im Konjunkturzyklus. Auch hat die Federal Reserve einen Großteil ihrer Zinsanhebungen inzwischen hinter sich gebracht. Denn die Fed musste keine verdeckte Rettungspolitik für Staaten machen wie die EZB für Europa.

Die USA liegen mehrere Jahre vor Europa

In den USA gibt es nun weider Leitzinsen und Marktzinsen. Somit können die Amerikaner in der nächsten Krise auch wieder spürbar die Zinsen senken, und damit für die heimische Wirtschaft einen neuen Stimulus präsentieren. Und Europa? Man liegt mehrere Jahre (2, 3, 4?) hinter den USA im Konjunkturzyklus. Auch die EZB hätte schon längst die Zinswende einleiten können.

Aber man kann dies eigentlich gar nicht tun. Italien und andere Länder brauchen eine Gratis-Verschuldung, weil schon minimalste Veränderungen bei den Zinsen die Haushalte der Länder sprengen. Mario Draghi weiß das als Italiener nur zu gut. Alle Welt weiß doch, dass Draghi eher als EU-Wirtschaftsminister agiert, denn als Notenbanker. Er versucht immer noch die Südländer in Euroland mit billigem Geld zu pushen. Aber Italien will sich einfach nicht erholen.

Auch in anderen Ländern wie Griechenland ist eine Erholung nur auf dem Papier vorhanden. Selbst wenn die EZB im kommenden Sommer eine Zinswende einleitet, werden es nur minimale Schritte sein. Eine spürbare Zinsanhebung von 0,25% alle paar Monate kann es in der Eurozone eigentlich nicht geben. Und dazu kommt noch, dass die Konjunktur in Europa sich schon abzuschwächen beginnt – und das, obwohl man in der Konjunkturkurve mehrere Jahre hinter den USA liegt.

Was soll oder kann die EZB machen?

Wir haben das Italien-Problem, das Griechenland-Problem, und den Brexit. Wenn der Konjunktureinbruch so kommt, wie er sich jetzt schon abzeichnet, werden wir in Europa de facto immer noch Nullzinsen haben. Das große Problem lautet: Wie will die EZB Wirtschaft und Börse dann neu stimulieren? Nach 2008 konnte man die Zinsen drastisch runter senken. Aber jetzt? Soll der Leitzins, wenn er nächsten Sommer vielleicht auf 0,25% angehoben wird, in der nächsten Krise von 0,25% gesenkt werden auf -3%? Soll der Einlagezins der EZB für Banken von -0,4% auch auf -3% gesenkt werden?

Das sollte nur mal ein fiktives Beispiel sein. Praktisch machbar wären solche drastischen Negativzinsen natürlich. Aber die Folgen wären dramatisch. Schon heute bei Nullzinsen hat die BaFin angefangen privaten Pensionskassen das Neugeschäft zu verbieten, weil die ohne Zinserträge die Ansprüche ihrer Kunden nicht mehr bedienen können. Lebensversicherer, Pensionskassen etc würden dann in eine noch viel dramatischere Schieflage geraten. Ganz zu schweigen davon, dass Banken ihren ganz normalen Kunden für Sparkonten und auch Girokonten wohl Negativzinsen berechnen müssten.

Da wäre die Bevölkerung wohl mehr als begeistert… die EZB hat jetzt eventuell noch ein kurzes Zeitfenster von vielleicht einem halben Jahr oder einem Jahr, wo man die Zinsen anheben kann. Aber viel wird das wie gesagt nicht sein. Beim nächsten Abschwung haben die Amerikaner einen Puffer, den sie für Zinssenkungen nutzen können. Die EZB hat diesen Puffer nicht. Sie muss dann in der nächsten Krise die Regierungen der Mitgliedsstaaten in die Pflicht nehmen, damit die mit Sonderprogrammen ihre Volkswirtschaften aufpumpen. Neue Schulden machen, aber richtig viel bitte! Hier zur aktuellen Lage auch ein ganz frischer Kommentar von Dr. Otmar Lang, Chefvolkswirt der Targobank. Zitat:

Die Wachstumsprognose der Europäischen Zentralbank ist nicht mehr haltbar. Die EZB muss am Donnerstag reagieren und eine realistischere Einschätzung für das Jahr 2019 abgeben – die ursprünglich prognostizierten 1,8 Prozent sollte sie auf 1,3 Prozent reduzieren.

Das Wirtschaftswachstum in der Eurozone steht erheblich unter Druck – sowohl durch hausgemachte als auch durch externe Probleme: Immer neue Turbulenzen und Wendungen in der Brexit-Diskussion, Ausnahmezustand in Frankreich, politische Krise in Belgien, ausbleibende Fortschritte für Spaniens Minderheitsregierung, Italiens Budgetstreit mit Brüssel.

Dazu kommt die weltweite Konjunkturabschwächung durch den Handelsstreit mit China, dessen Wirtschaft zudem unter der Eindämmung einer exzessiven Verschuldung leidet. Weder für die internen noch die externen Schwierigkeiten lassen sich schnelle Lösungen herbeizaubern.

Diese konjunkturellen Abwärtsrisiken muss die EZB stärker in den Vordergrund stellen. So würde sie die Märkte in deren aktueller Einschätzung bestätigen, dass die Wahrscheinlichkeit für einen Zinsschritt im kommenden Jahr immer niedriger wird.

Eine weniger restriktive Geldpolitik war in der Vergangenheit für die Aktienmärkte immer ein positives Signal. Dieses Mal könnte es anders sein. Die EZB muss ihren geldpolitischen Kurs korrigieren, weil ihr Konjunkturaufschwungsszenario nicht wie erwünscht eingetreten ist. An den Aktienmärkten, die zurzeit negative Meldungen förmlich aufsaugen, könnte es nochmals zu einer Abwärtsbewegung kommen – ähnlich wie in den USA. Hier konnte eine vorsichtiger argumentierende FED die Aktienmärkte auch nicht beruhigen.

EZB-Entscheidung - EZB-Tower in Frankfurt
Die Zentrale in Frankfurt. Foto: EZB



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