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EZB steht vor einem wirklich schweren Problem

Christine Lagarde wird womöglich völlig unerwartet ein ganz neues Problem von Mario Draghi erben, wenn sie im November Chefin der EZB wird. Draghi hatte gerade erst letzten Donnerstag eine Zinssenkung und neue Anleihekäufe verkündet. Die offizielle Begründung lautet natürlich gemäß der Satzung der EZB: Man muss die Inflation Richtung 2% bekommen. Bislang waren die Maßnahmen (der letzten Jahre) mit 2,6 Billionen Euro gepumptem Geld noch nicht ausreichend, also muss man nachlegen. Die Lesart der EZB lautet ja, dass man mit dem Ziel von 2% Inflation die Steigerungsrate weit genug weg bekommen will von einem Nullwachstum oder sogar einer Deflation. Preisstabilität erreichen mit einem Ziel von 2%. Aber nun kommen wir zum Problem, welches Madame Lagarde womöglich vorfinden wird.

Die EZB und der Öl-Schock

Übers Wochenende machte der Ölpreis einen Sprung nach oben um „mal eben“ 8 Dollar. Der stärkste Anstieg seit dem Golfkrieg 1991! Und es ist gut möglich, dass der Ölpreis weiter steigen wird, wenn sich die geopolitischen Spannungen vor allem gegenüber dem Iran verschärfen. Davon hängt alles ab. Bleibt Öl auf diesem Niveau oder steigt sogar weiter? Die Tankstellenbetreiber werden sich vermutlich nicht lange bitten lassen und die Benzinpreise raufsetzen. Wie wir es gestern schon angesprochen hatten – nach stark steigenden Ölpreisen folgte in den letzten Jahrzehnten stets eine Rezession. Nur die Frage ist, ob dieser aktuelle Öl-Anstieg bereits ausreicht zum zügigen Auslösen einer kräftigen Rezession.

Wir hatten in den letzten Jahren und Monaten auch immer wieder erläutert, dass der Ölpreis und nicht die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank entscheidend war für eine schwache oder anziehende Inflation in der Eurozone. Und nun steht die EZB vor einer möglicherweise nicht zu lösenden Aufgabenstellung. Sollte der Ölpreis wirklich die Konjunktur noch stärker negativ beeinflussen, als sie in Europa ohnehin schon läuft, hätte sie normalerweise allen Grund dazu unter Christine Lagarde die Geldpolitik noch weiter zu lockern. Aber sollten die Anbieter die Energiepreise wirklich spürbar raufsetzen, wird dies die Inflation in Euroland anspringen lassen. Kommen wir dank dem Öl-Schock folglich zügig Richtung des Inflationsziels der EZB, nämlich in Richtung 2%?

EZB vor Argumentationsproblem

Dann hätte die EZB ein echtes Argumentationsproblem. Alle Welt weiß, dass die EZB seit Jahren als inoffizielles Eurozonen-Wirtschaftsministerium agiert. Aber offiziell tut die EZB was sie tut, um für Preisstabilität zu sorgen. Erreicht die Inflation dank des Öl-Schocks aber in einigen Monaten schon die 2% Steigerungsrate (aktuell nur 1,0%), entfällt der offizielle Grund für weitere Lockerungsmaßnahmen. Gleichzeitig aber müsste Madame Lagarde zusehen, wie die Konjunktur in Europa weiter schwächelt, ohne dass man etwas dagegen tun könnte. Aber es bleiben ja immer noch Argumente, wie Mario Draghi sie in den letzten Jahren benutzt hatte. „Ja, die Inflation steht kurz vor 2%, aber die Kernrate (ohne Öl) ist noch lange nicht so weit, und wir müssen über einen längeren Zeitraum höhere Steigerungsraten sehen“ usw.

Aber es würde bei 2% Inflation verdammt schwer für Christine Lagarde werden weitere Lockerungsmaßnahmen öffentlich zu verkaufen. Und das bei einer weiter schwächelnden Konjunktur. Man vergesse nicht, dass Frau Lagarde Politikerin ist (vormals französische Finanzministerin). Damit wird die EZB womöglich noch mehr als ohnehin schon politisch ausgerichtet. Die Vermutung liegt daher nahe, dass man mehr denn je versuchen wird über die Geldpolitik ausbleibende wirtschaftliche Impulse der Regierungen in der Eurozone zu ersetzen. Aber bei Erreichen des Inflationsziels dank des Öl-Schocks wird es mit der Argumentationsgrundlage extrem schwierig für die EZB!

Neue EZB-Chefin Christine Lagarde
Christine Lagarde tritt bei der EZB im November die Nachfolge von Mario Draghi an. Foto: World Economic Forum from Cologny, Switzerland – The Global Economic Outlook: Christine Lagarde Uploaded by January CC BY-SA 2.0



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8 Kommentare

  1. Keine Sorge, Herr Kummerfeld, der EZB werden die Argumente nie ausgehen. Man wird immer welche finden!

  2. Verschwörungstheorie: Die EU war für den Abschuss verantwortlich, damit die Inflation endlich zulegt!!!…im Übrigen muss man den Angriff, wer auch immer ihn ausgeübt hat, als sehr human betiteln, dann von Toten und Verletzten wird nicht gesprochen…es ist schon a bissl komisch alles…aber nicht das komisch zum Schenkelklopfen wenn ich ehrlich bin…

  3. Die Lage bezüglich Ölpreisanstieg hat sich gegenüber früher deutlich verändert, weil die USA bald zum Netto Exporteur von Öl werden, was z.B. 2007 noch nicht vorstellbar schien. D.h. der steigende Ölpreis kann die Wirtschaft der USA stärken, nicht schwächen, weil die Verbraucher mehr Geld für Benzin ausgeben müssen (was aus den USA kommt), was sie folglich nicht für die neuesten Plastikartikel aus aller Welt haben => Handelbilanz verbessert sich. Für den Ölsektor der USA ist der Preisanstieg ein Geschenk, denn damit bekommt er die Chance aus den jahrelangen negativen Cashflows im Fracking herauszukommen. Das schafft bzw. erhält viele gut bezahlte Jobs in den USA.
    Dass also der Ölpreisanstieg jetzt eine Rezession verursacht, ist unwahrscheinlich, wenn gerade die stärkste Wirtschaftsmacht davon eher profitiert. Ich denke, die Gleichung hat sich einfach verschoben.

    1. Sehe ich genauso. Lediglich Europa trifft es eben, bis auf Norwegen ;) England auch etwas weniger
      Solange das nicht fix behoben werden kann, wird Saudi Arabien auch ganz schön drunter leiden. Gerade auch was den Börsengang von Aramco angeht. Russland dürfte am Feiern sein, mit den Amis

  4. Aktuell scheint ja wieder Ruhe einzukehren. Keine Meldung mehr auf den ersten zeitungsseiten. Kritisch wird es erst, wenn Sunniten und Schiiten dauerhaft die „Köpfe“ einschlagen. Mag sein, dass im Hintergrund massiv dazu angestachelt wird. Der Ölpreis ist m. E. nicht wirklich relevant.

  5. Pingback: Meldungen vom 17.09.2019 | das-bewegt-die-welt.de

  6. Man sieht auch an den Börsen das keiner irgendiwe veränstigt scheint. Im Gegenteil die Kurse steigen wieder leicht an und die minimalen Verluste von gestern sind heute ab 15.30 Uhr spätestens Geschichte. Tippe aber auf früher.
    Wie gestern schon gesagt. Selbst wenn es zu einem Gegenschlag kommt werden die Börsen feiern.
    Gruß vom Kontraindikator

  7. Den EZB Lumpen , sowie den europäischen Politiker ist doch alles egal, denn sie sind vor Strafverfolgung geschützt! Also werden sie sich den Untergang von den Bahamas anschauen!

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