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Zinspause nach zehn Anhebungen EZB rüttelt nicht am PEPP – Lagarde gönnt Italien Atempause

EZB rüttelt nicht am PEPP - Lagarde gönnt Italien Atempause
Christine Lagarde, EZB-Sitzung in Athen. Foto: Bloomberg

In Italien hat der ein oder andere Politiker gestern einen Freudensprung gemacht, nachdem die EZB eine Zinspause angekündigt hat. Zudem rüttelt die Zentralbank nicht am PEPP (Pandemic Emergency Purchase Programme). Italienische Staatsanleihen reagierten auf die Entscheidung und Aussagen der EZB erleichtert. Am Schauplatz eines der düstersten Momente in der Geschichte des Euro gab sich Christine Lagarde alle Mühe, eine mögliche Wiederholung zu vermeiden. Damals in 2010 hatte die Überschuldung des griechischen Staats die Europäische Währungsunion auf die Probe gestellt.

Nach der turnusmäßigen Auswärtssitzung der Europäischen Zentralbank in Athen verkündete die Präsidentin die erwartete erste Zinspause nach 10 aufeinanderfolgenden Zinsschritten. Überraschender war jedoch, dass nicht einmal andiskutiert wurde, ob oder wie der Abbau der aufgeblähten EZB-Bilanz beschleunigt werden könnte, so Bloomberg.

Italienische Staatsanleihen

Italienische Staatsanleihen reagierten erleichtert. Der Rendite-Aufschlag gegenüber Bundesanleihen, der übliche Gradmesser für das von den Märkten wahrgenommene Italien-Risiko, verringerte sich auf unter 200 Basispunkte. Für Ministerpräsidentin Giorgia Meloni bedeutet die selbstauferlegte Zurückhaltung der EZB eine Atempause.

“Gute Nachrichten für die Inhaber italienischer Staatsanleihen”, sagt Jill Hirzel, Anlagespezialistin bei Insight Investment in London.

Zugleich nutzte Lagarde ihren Auftritt in der griechischen Hauptstadt, um den erreichten wirtschaftlichen Umschwung in Hellas über den grünen Klee zu loben. Gerade vor einer Woche erst hatten die Griechen, die vor ein paar Jahren beinahe aus der Gemeinschaftswährung gekracht wären, das Etikett „Investment Grade“ der Ratingagentur S&P Global nach mehr als einem Jahrzehnt auf Ramsch-Status wiedererlangt.

Zinspause und PEPP: EZB-Lagarde hilft Italien - Staatsanleihen steigen
Italiens Rendite-Spread gegenüber Deutschland sinkt nach EZB-Entscheidung

Der Rendite-Abstand Italiens hatte sich zuletzt auf bis zu 210 Basispunkte ausgeweitet. Die Pläne von Melonis rechtspopulistischem Regierungsbündnis, zur Finanzierung von Wahlversprechen das Defizit auszuweiten, nährten Sorgen über die italienischen Staatsfinanzen. Hinzu kamen Gerüchte, dass die EZB ihre Bilanz schneller verkürzen könnte, was einen Ausverkauf auslöste.

Die Sicht von Bloomberg Economics:

“Der starke Anstieg der Renditen, insbesondere der italienischen, hat die EZB wahrscheinlich vorsichtig werden lassen, am PEPP zu rütteln. Die Zentralbank hat nichts getan, was darauf hindeutet, dass sie aufhören wird, den Anleihemarkt mit ihrem großen Wertpapierbestand zu stützen” — David Powell, Senior Economist Eurozone.

Der belgische Gouverneur Pierre Wunsch hatte während der Herbsttagung des Internationalen Währungsfonds in Marrakesch gesagt, dass “wir über eine Welt nachdenken müssen, in der wir die Wiederanlage des PEPP stoppen”. Sein irischer Kollege Gabriel Makhlouf merkte an, dass der italienische Renditeaufschlag “absolut etwas ist, auf das wir, die EZB, uns sehr konzentrieren werden”.

Kurz vor der Bekanntgabe der Beschlüsse der EZB-Ratssitzung sagte Allianz-Chefvolkswirt Ludovic Subran auf Bloomberg TV, er sei in Sorge über eine mögliche Staatsschuldenkrise, die an 2012 erinnert.

“Wir sehen einen nie dagewesenen Ausverkauf bei italienischen BTPs, und das wird mit der fiskalischen Glaubwürdigkeit, für die sich diese Regierung entschieden hat, nicht besser werden”, sagte er. “Was mit dem italienischen Spread passiert, ist besorgniserregend.”

EZB löst Erleichterung in Italien aus

Doch nach der Sitzung wischte Lagarde alle Fragen zu Italien beiseite und erklärte, eine Änderung des PEPP stehe nicht auf der Tagesordnung.

Die Erleichterung in Italien war unmittelbar spürbar. Antonio Tajani, einer von Melonis Koalitionspartnern und stellvertretender Ministerpräsident, zeigte sich zufrieden, nachdem er monatelang die Zinserhöhungen der EZB kritisiert hatte. “Schließlich hat die EZB beschlossen, die Zinssätze nicht weiter anzuheben. Das ist eine gute Nachricht für die Wirtschaft”, sagte er auf X, dem früheren Twitter.

“Für Italien sind die Erklärung der EZB und die Pressekonferenz unterstützend”, sagte Mohit Kumar von Jefferies, der die Staatsanleihen des Landes derzeit neutral bewertet.

Ein nächster wichtiger Test steht am 17. November an, wenn Moody’s Investors Service sein Rating aktualisiert. Moody’s stuft die italienischen Staatsanleihen nur eine Stufe über Ramsch ein und hat einen negativen Ausblick.

Kumar geht davon aus, dass sich diese Einstufung nicht ändern wird und dass sich der Abstand zwischen Italien und Deutschland weiter verringern könnte. Auf längere Sicht schätzt er die italienischen Anleihen jedoch negativ ein und sagt, er würde die Rallye nutzen, um Short-Positionen für Dezember aufzubauen.

Geopolitik im Fokus

Im Moment konzentriert sich die EZB jedoch stärker auf die Geopolitik. Die Athener Sitzung fand in relativer Nähe zu Israel statt, wo der Krieg gegen die Hamas die Sorgen über weitere Schocks für Inflation und Wachstum geschürt hat.

“Wir achten sehr auf die wirtschaftlichen Folgen, die dies haben könnte, sei es in Bezug auf die direkten oder indirekten Auswirkungen auf die Energiepreise oder das Vertrauen, das die Wirtschaftsakteure weiterhin zeigen werden”, sagte Lagarde.

Ein Schwerpunkt der Ratssitzung scheint jedoch die Sanierung Griechenlands gewesen zu sein. Beim gemeinsamen Abendessen am Mittwoch sei die Transformation des Landes das Hauptthema gewesen, hieß es aus informierten Kreisen.

FMW/Bloomberg



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3 Kommentare

  1. Das PEPP wird nicht gestoppt, denn warum sollte die EZB ihre erste Verteidigungslinie freiwillig aufgeben? Und selbst für den Fall das dass PEPP gestoppt würde, müsste man sofort das TPI aktivieren um weiter gegen „zu hohe Zinsen“ vorgehen zu können.

  2. Komisch,das sind doch alles Verschwörungstheorien,aber die Pandemie ist doch vorbei ,oder hab schon wieder eine Verschwörungstheorie verpasst ?

    Sind sind ALLE völlig und bis über alle Grenzen hinweg besoffen von den moralisch hazardierten Druckerpressen.

    Sie werden mit Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit für die Post-Babyboomer Generation nur noch verbrannte Erde hinterlassen .

  3. Zwischen den Zeilen gelesen, sagt die EZB damit dass die Bekämpfung der Inflation keine Priorität (mehr) besitzt, weil es andere Baustellen wie die Staatsfinanzierung und die sonstigen Moneydrainagen gibt. Vielleicht ist ja ein EURO mit einer mittleren Inflation von 4% besser als gar kein EURO. Wer weiß? Um die Deichkrone bei Sturmflut zu schützen, wird Material an anderer Stelle des Deichs (beim deutschen Nachbarn) entnommen, da kommen die Wellen noch nicht so hoch. Geht doch ne Weile gut Damit wird die Inflation in Wellen immer wieder hoch schwappen, mit zwischenzeitlichen Entwarnungen.

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