Ungeachtet des zuletzt stetigen Rückgangs der Inflation im Euroraum sprechen sich immer mehr EZB-Beamte für höhere Zinsen aus. Es ist gerade zwei Tage her, dass sich die EZB-Präsidentin, Christine Lagarde, vor dem Wirtschafts- und Währungsausschuss des Europa-Parlaments entschlossen für weitere Zinsschritte eingesetzt hat, um den Kampf gegen die Inflation fortzusetzen. „Der Preisdruck bleibt hoch“, so Lagarde. In die gleiche Kerbe hatten zuvor auch schon diverse andere EZB-Mitglieder gehauen. Die Zeichen stehen also klar auf weiteren Zinserhöhungen.
Der Bundesbankchef Joachim Nagel sagte jüngst, dass sich die Europäische Zentralbank womöglich noch über die Sommermonate hinaus mit dem Thema Zinserhöhung beschäftigen muss. Der Chef der niederländischen Zentralbank, Gabriel Makhlouf aus Irland sowie EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel plädierten ebenfalls für weitere Anhebungen. Obwohl die EZB die Schlüsselzinsen bereits sieben Mal in Folge um insgesamt 3,75 Prozentpunkte angehoben hat, ist noch nicht Schluss. Analysten gehen von mindestens zwei weiteren Zinserhöhungen in Höhe von 25 Basispunkten auf den nächsten Sitzungen aus. Der nächste Zinsentscheid steht bereits am Donnerstag kommender Woche auf der Agenda.
EZB-Beamte fordern Zinserhöhungen
Mehrere Beamte der Europäischen Zentralbank forderten zuletzt eine weitere Anhebung der Zinssätze trotz offensichtlicher Anzeichen einer zunehmenden Schwäche der Wirtschaft in der Eurozone.
Der Chef der niederländischen Zentralbank, Klaas Knot, sagte, er sei „noch nicht davon überzeugt, dass die derzeitige Straffung ausreicht“, und erklärte am Mittwoch vor Gesetzgebern in den Niederlanden, dass „die Inflation durchaus noch lange Zeit zu hoch bleiben könnte, daher seien weitere Zinserhöhungen notwendig.“
Gabriel Makhlouf aus Irland stellte klar, dass die Geldpolitik auf kurze Sicht noch mehr tun müsse, während EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel sagte, dass es bei den Kreditkosten noch mehr zu tun gebe. Wie viel genau, wird vor allem von den kommenden Daten abhängen, zitierte die belgische Zeitung De Tijd sie.
Inflation: Preisdruck lässt nach
Doch die jüngsten Inflationsdaten haben in letzter Zeit eher Anlass zu Optimismus gegeben. Sowohl die Gesamtinflation als auch die Kerninflation, an der sich die politischen Entscheidungsträger zunehmend orientieren, sind im Mai stärker als erwartet zurückgegangen. Zudem zeigte eine am Dienstag veröffentlichte EZB-Umfrage, dass die Erwartungen der Verbraucher hinsichtlich der Preisentwicklung deutlich zurückgehen.
Gleichzeitig werden die wirtschaftlichen Aussichten in Europa immer unsicherer. Griechenland meldete am Mittwoch einen überraschenden Rückgang der Wirtschaftsleistung im ersten Quartal. Dies ist eine weitere Belastung für die 20 Nationen umfassende Eurozone, die bereits durch die Rezession in Deutschland in Mitleidenschaft gezogen wird.
Die Europäische Union wird am Donnerstag aktualisierte BIP-Zahlen für das erste Quartal veröffentlichen, wobei eine Bloomberg-Umfrage darauf hindeutet, dass sie die Stagnation gerade noch vermeiden wird.
Steigende Zinsen trotz Konjunkturabschwächung
Die politischen Entscheidungsträger der EZB haben jedenfalls betont, dass die Wiedererlangung der Kontrolle über die Preise von entscheidender Bedeutung ist, um das Wachstum wieder auf Kurs zu bringen. Anleger und Analysten rechnen nach wie vor mit Zinserhöhungen um jeweils einen Viertelpunkt am kommenden Donnerstag und im Juli – womit der Einlagensatz im Juli von unter Null auf 3,75 % steigen würde, was den stärksten Anstieg der Kreditkosten seit Einführung des Euro bedeuten würde.
„Ein Höchststand der zugrunde liegenden Inflation würde nicht ausreichen, um den Sieg zu verkünden: Wir müssen überzeugende Beweise dafür sehen, dass die Inflation nachhaltig und zeitnah zu unserem 2 %-Ziel zurückkehrt“, sagte Schnabel. „An diesem Punkt sind wir noch nicht angelangt.“
In separaten Kommentaren am Dienstag sagte Knot, dass Europa Zweitrundeneffekte durch höhere Energiekosten erlebe, was es schwieriger mache, das Verbraucherpreiswachstum auf das 2 %-Ziel zurückzuführen. Er bekräftigte am Mittwoch, dass er auch für eine mögliche Zinserhöhung im September „offen“ sei.
„Die Tatsache, dass die Inflation zurückgeht, ist uns willkommen“, sagte Makhlouf. Aber „es bestätigt uns nicht, dass wir jetzt alles getan haben, was wir tun müssen, um die Inflation zu senken“.
FMW/Bloomberg
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