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Gaspreis: Rechnungen explodieren, Lieferungen eingestellt, Lagerbestände schwinden

Scheitert die Energie-Wende bereits in diesem Winter?

Gaspreis explodiert, Lieferungen eingestellt

Für Gaskunden in Deutschland wird die Sparflamme zur Luxusflamme: Der Gaspreis verteuert sich gegenüber dem Vorjahr im dreistelligen Prozentbereich. Energiehändler- und Versorger kündigen massenhaft Verträge. Die Speicher nähern sich kritischen Niveaus und die kalte Jahreszeit hat gerade erst begonnen. Scheitert die Energie-Wende bereits in diesem Winter?

Gaspreis explodiert

Es sind Preissteigerung beim Gaspreis wie in einer Hyperinflation: der Future-Kontrakt für Gas für eine Megawattstunde (1 MWh ≙ 100 m³) hat sich an der niederländischen Handelsplattform für Erdgas (TTF) binnen Jahresfrist um den Faktor 7,6 verteuert. Auch die Spot-Notierungen an der Leipziger Energiebörse EEX zeigen schwindelerregende Preiserhöhungen für den fossilen Energieträger: allein in den letzten sechs Wochen haben sich die Kurse hier fast verdoppelt.

Der Gaspreis explodiert

Ein Ende des Preisauftriebs ist nicht in Sicht. Ab 1. Januar 2022 steigt die CO2-Abgabe auf Gas um 20 Prozent von 25 auf 30 Euro pro Tonne und verteuert den Gaspreis für private Haushalte um 0,65 Cent pro Kilowattstunde (10 Kilowattstunden ≙ 1 m³ Gas).

Preistreibend wirken sich auch die geopolitischen Spannungen mit Russland aus. Das größte Land der Welt liefert mehr als die Hälfte des in Deutschland benötigten Erdgases.

Erdgaslieferanten für Deutschland

Die Auftriebskräfte für den Gaspreis werden wahrscheinlich wegen der hohen Nachfrage über das gesamte Winterhalbjahr hinweg wirken. Zum einen prognostizieren die Meteorologen einen Temperaturabfall für die kommenden Wochen und sehr kalte Perioden für den Januar und Februar, was sich mit den Daten des 100-jährigen Kalenders decken würde.

Zum anderen sind die Gasspeicher bereits zum Winteranfang unterdurchschnittlich gefüllt. Europas größter Erdgasspeicher im niedersächsischen Rehden weist aktuell einen Füllstand von nur noch gut 5 Prozent auf. Vor sechs Wochen waren es noch ca. 10 Prozent. Im Vorjahr lag der Füllstand um diese Zeit bei 81 Prozent. Das reichte bequem bis Ende März 2021 aus.

Zwar werden viele dieser Speicher vom staatlich kontrollierten Konzern Gazprom und seinen Töchtern betrieben, aber schlussendlich entscheiden die Großhändler, wie viel Gas sie dort einlagern oder abziehen. Gazprom betreibt fast ein Drittel aller Gasspeicher in Deutschland, Österreich und den Niederlanden. Die Füllstände sind in all diesen Lagern bedenklich niedrig.

Gleichzeitig stockt der Zufluss an Erdgas. Besonders drastisch ist der Liefereinbruch über die Yamal-Pipeline des russischen Energieriesen Gazprom, die von Torschok, nordwestlich von Moskau, über Smolensk und die weißrussische Hauptstadt Minsk nach Frankfurt an der Oder führt.

Gaskunden bekommen die Knappheit zu spüren

Der Landkreis Meißen in Sachsen fällt aktuell von einem Schock in den Nächsten: Noch vor Kurzem musste man sich mit Corona-7-Tage-Inzidenzen von 2.897,6 herumschlagen (am 8.12.), und nun folgt der Schock beim Gaspreis. Gewerbetreibende in der Region erhalten, wie über all in Deutschland, aktuell Post von ihren Versorgungsunternehmen. In einem konkreten Fall eines Zweiradhändlers im Landkreis Meißen steigen die Kosten für die Gaslieferung ab Januar von 2.000 Euro pro Jahr auf 4.500 Euro pro Jahr. In anderen Fällen wird den privaten und gewerblichen Kunden direkt die Versorgungsleistung gekündigt.

So u. a. geschehen beim Brennstoffhändler Gas.de mit der Marke „Grünwald“. Laut Sächsischer Zeitung erhalten viele Kunden Kündigungsschreiben mit Fristen von nur wenigen Tagen oder sogar rückwirkend. Die Verbraucher-Experten von Finanztipp sprechen von mittlerweile 400.000 Betroffenen in Deutschland. Bei der Kündigungswelle waren auch die Unternehmen Immergrün und Deutsche Energiepool dabei. Ende November bekamen die Kunden der Genossenschaft Energiehaus aus Dresden die Nachricht, dass man die Lieferung von Gas und Strom kurzfristig einstellen werde.

Der Grund für die sich häufenden Kündigungen sind die Geschäftsmodelle der Energiehändler. So schnell, wie die Einkaufspreise im Jahr 2021 explodiert sind, konnten die Anbieter ihre Kosten gar nicht auf ihre Kunden umlegen. So entstanden schnell existenzbedrohende Liquiditätsengpässe bis hin zu Insolvenzen.

Auf der Suche nach alternativen Anbietern werden Kunden zwar fündig, aber das Ausscheiden von Wettbewerbern führt zusammen mit der Explosion beim Gaspreis für die Kunden dennoch ausnahmslos zu massiv steigenden Kosten.

Ist die Energiewende zum Scheitern verurteilt?

Im Interesse einer sauberen Umwelt sollten alle technologischen Möglichkeiten genutzt werden, Energie nachhaltig zu erzeugen – das schließt Brückentechnologien wie Erdgas ausdrücklich mit ein. Jede Versorgungsleitung ist daher für die Deutsche Wirtschaft und die Bevölkerung unseres Landes wichtig.

Eine breite Zustimmung in der Bevölkerung ist ebenfalls unabdingbar, um die Herausforderungen der Energiewende zu meistern. Dogmatische Ansätze, die fernab des Energiebedarfs mit Sanktionen, Verboten und verbindlichen Deadlines arbeiten, konterkarieren sich selbst. In der Bedürfnispriorität der Menschen wird ein warmes Heim mit Licht sowie eine funktionierende Wirtschaft, die die Existenz sichert, stets höher gewichtet sein als die Interessen weniger, selbst ernannter Weltverbesserer, die gegenüber ihren internationalen Partnern heuchlerisch mit zweierlei Maß messen.

Bisher hat der dogmatische Ansatz jedenfalls nicht zum erwünschten Erfolg geführt: Statt einer Reduktion der Treibhausgasemissionen hat sich lediglich die Lebensqualität der Menschen verschlechtert und die Zerstörung der Umwelt zugenommen. So dürfte die Erzeugung von Strom aus Kohle in diesem Jahr laut Internationaler Energieagentur (IEA) mit 10.350 Terawattstunden einen neuen historischen Rekord erreichen. Dies entspricht einem Anstieg um 9 Prozent gegenüber dem Vorjahr. IEA-Chef Fatih Birol sieht in dem Anstieg „ein besorgniserregendes Zeichen dafür, wie weit die Welt in ihren Bemühungen vom Weg abgekommen ist, die Emissionen auf netto null zu senken“. Dabei ist China für mehr als die Hälfte der globalen Kohleverstromung und für den Großteil des Anstiegs der CO2 -Emissionen verantwortlich.

Anstatt den Deutschen das Grillen mit Holzkohle zu verbieten, sollten die gewählten Politiker unseres Landes darüber nachdenken, wie sie den Großemittenten von CO2, wie China, den USA und Indien mehr Umwelt- und Klimaschutz schmackhaft machen können. Allein mit dem erhobenen Zeigefinger und unzulänglichen, weil zu stark witterungsabhängigen Technologien wird das schwerlich möglich sein.



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7 Kommentare

  1. Ich habe gerade meinen Holzofen im Wohnraum gestreichelt, auf dem wir auch kochen können.
    Die Gasflasche mit 13 kg Butangas kostet in Spanien jetzt auch schon 16,92 Euro. Marokko hat schon vor Wochen eine Erdgasleitung nach Spanien abgestellt.
    Holz (fertig gehackt) zum heizen, kostet in Spanien etwa 5 Cent/KW, und ist vergleichbar mir Eiche.
    Mal sehen was die Strompreise machen werden. Bei unserem Tarif ist der Strom von 11 Uhr bis 13 Uhr kostenlos.

    Viele Grüße aus Andalusien
    Helmut

    1. @Helmut, ich lebe ebenfalls seit über 30 Jahren mit meiner Familie in Andalusien. Wir genießen hier derzeit ebenfalls die 20° C am Tag und nutzen seit jeher die Kraft der Sonne, freuen uns das ganze Jahr über Fotovoltaik und Solarthermie satt. Die meiste Zeit im Jahr, speziell aber zwischen 11 und 13 Uhr speisen wir den Überschuss für dich ein, damit du kostenlos saugen und gegen kostenlosen Ökostrom wettern kannst.

      1. Hallo Christian,
        ich habe nichts gegen Solarstrom.
        Nur, wir können hier auf dem Land keinen Solarstrom einspeisen, und wegen unserer Ferienwohnungen haben wir einen sehr schwankenden Stromverbrauch.
        Wir heizen aber das WW mit Solar auf, und heizen völlig CO2 Neutral mit Holz, und wir kochen auch meistens, an den kalten Tagen, auf Holz.
        Wir haben einige Quadratmeter Solarpaneele. Damit laden wir die Batterien für unsere unterbrechungsfreie Notstromversorgung.
        Aber wir haben uns auch ganz intensiv auf länger andauernde Stromausfälle eingerichtet.
        Daran sind nun nicht die alternativen Stromezeuger Schuld, sondern die Demontage der grundlastfähigen Kraftwerke.
        Aber die Menschen wollen es so, und jetzt müssen wir sehen was in den nächsten 2 bis 3 Wintern passieren wird.

        Viele Grüße aus Andalusien
        Helmut

  2. Sehr geehrter Herr Müller,

    vielen Dank für diesen Bericht. Ähnliches spielt sich aktuell am Strommarkt ab (Strombörsen der EEX in Leipzig und Paris). Es ist wirklich zu befürchten, dass die deutsche Energiepolitik völlig gescheitert ist.

  3. Hallo,
    bei den Preissteigerungen wird Bezug auf Dutch TTF genommen. Daneben gibt es den Erdgas- Future der seit Oktober im Hoch bei 6,30 USD auf jetzt 3,76 USD konsolidiert ist.

    Wie kommt dieser Unterschied zustande?

    1. Hallo chris, das liegt an den Standorten der Handelsplätze. An der NYMEX ist der Future-Preis für „Natural Gas“ seit Anfang Oktober tatsächlich stark gefallen. Alle für Europa entscheidenden Spot- und Future-Preise sind hingegen massiv angestiegen (CEGH VTP, TTF, CZ VTP, THE, PEG, PVB etc.). Für Deutschland entscheidend sind die Preise, die an der EEX ermittelt werden. Das waren bis vor Kurzem der „Deutschland Gaspool“ (GPL) und „NetConnect Germany“ (NCG). Diese sind nun zu einem einem neuen bundesweiten deutschen Gasmarkt namens „Trading Hub Europe“ (THE) zusammengeführt. Historische NCG- und GPL-Daten können unter NCG-Historie und GPL-Historie bei der EEX nach wie vor eingesehen werden. Der THE-Gaspreis hat sich von 71.698 Euro pro MWh Anfang November auf aktuell 136.151 Euro pro MWh verteuert. Hier der Link zum Nachschauen: https://www.powernext.com/spot-market-data

      1. Danke Herr Zipfel für die Erklärung. Hat mich weitergebracht.

        Schade, leider kann man den „europäischen Gasmarkt“ scheinbar als Kleinanleger nicht handeln.

        Grüsse.

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