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Unterschiede zwischen heute und damals Inflation 2023 und 1970er-Jahre – warum der Vergleich hinkt!

Inflation Vergleich 1970er

„Higher for longer“, ist das Motto der US-Notenbank gegenwärtig, um mittels einer längeren restriktiven Geldpolitik ein Wiederaufflammen der Inflation wie in den 1970/80-er Jahren zu verhindern. Als die damaligen Notenbank-Chefs Arthur Burns und Paul Volcker mit drastischen Leitzinsanhebungen versuchten, zweistellige Inflationsraten unter Kontrolle zu bringen. Während Ersterer (Burns) rasch einknickte, zog der Zweite die Sache gnadenlos durch – mit drastischen Anhebungen der Fed Funds Rates bis auf 20 Prozent. Was in der Folge die Inflation tatsächlich besiegte, aber knackige Rezessionen und eine Arbeitslosigkeit von 10 Prozent zur Folge hatte.

Die Generation der deutschen Babyboomer wird sich an die Zeit der Ölembargos aus dem Nahen Osten erinnern, an die explosionsartig gestiegenen Energiepreise, an die autofreien Sonntage, aber auch an die Lohnsteigerungen von bis zu elf Prozent, die Gewerkschaftsführer wie Heinz Kluncker erkämpft hatten. Aber auch an die Renditen am Geldmarkt mit Zinsen von über zehn Prozent, die aber auch damals nur einen Ausgleich für die Inflation darstellten. Banken verschenken kein Geld, so wie aktuell. Aber ist die aktuelle Lage trotz einiger Gemeinsamkeiten mit der damaligen Lage wirklich vergleichbar? Ein kleiner Faktencheck.

Inflation: Unterschied Nummer eins – die US-Wirtschaft war damals ganz anders aufgestellt

Der originäre Auslöser für die Inflationsentwicklung – die die Inflation in einem ganzen Jahrzehnt auf durchschnittlich über sieben Prozent angehoben hatte, was schlussendlich zu einer Stagflation führte – waren die Ölembargos der Ölförderländer im Nahen Osten. Nach dem Jom-Kippur-Krieg und im Zusammenhang mit der Revolution im Iran hatten sich die Ölpreise vervielfacht. In den USA gab es noch kein Fracking, die Kombination nach dem Ende von Bretton Woods von hohen Energiekosten, gestiegenen Lebensmittelpreisen und einer Preis/Lohn-Spirale wirkten besonders giftig. Da die hohen Energiekosten auf eine Wirtschaft trafen, die wesentlich mehr von der Produktion abhing als heute.

Der Anteil des Verarbeitenden Gewerbes am Bruttoinlandsprodukt der USA lag zu dieser Zeit bei über 22 Prozent, zuletzt bei etwa 11 Prozent.

Auch wenn US-Präsident Biden derzeit das Regierungsprogramm der Re-Industrialisierung der USA vorantreibt, ist dies doch ein gewaltiger Unterschied zu damals.

Inflation US-Economy Manufacturing-Services

Natürlich steigen derzeit die Löhne, aber aus der Kombination aus wirtschaftlichem Shutdown (Corona-Krise) und dem Füllhorn, welches der Staat auf die Arbeitnehmer in den USA anschließend ausgeschüttet hatte – Arbeitslosenhilfe durch Bund, Land und Kommunen und Helikoptergeld – wer will da zu den vorherigen Löhnen weiter arbeiten? Vor allem nach den gesehenen Preissteigerungen.

Der US-Staat hatte während Corona seines Bruttoinlandsprodukts für Hilfen aufgewendet, damit der Konsum und die Wirtschaft in das USA nicht einbricht. Dieses Geld gelangte nach dem Ende von Corona-bedingten Einschränkungen in die Märkte. Die geopolitische Lage (Lieferschwierigkeiten, Ukraine-Krieg) legte zudem die Basis für die jetzige Phase der Inflation.

Hier die langfristige Korrelation zwischen der Lohnentwicklung und Inflation:

Roberts Wages vs Inflation

Wenn das durch den Shutdown während Corona entstandene Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage zurückgeht und die Unternehmen die Lohnerhöhungen wieder in den Griff kriegen, könnte eine zurückgehende Wirtschaftstätigkeit die ausufernde Phase der Inflation begrenzen.

Denn es gibt eine 85-prozentige Korrelation zwischen Wirtschaftswachstum, Zinssätzen und Löhnen und der Inflation:

Roberts Economic Composite

Inflation: Unterschied Nummer zwei – die aktuelle Verschuldung bei niedrigerem Wirtschaftswachstum

Die Zeit in der 1970-ern war noch immer geprägt von den Nachwirkungen des Zweiten Weltkriegs mit großem Wachstum, hohen Sparquoten der Bürger und einer niedrigen Verschuldung von Staat und Gesellschaft. Die USA hatten es über viele Jahre hinweg mittels finanzieller Repression geschafft, die hohe Kriegsverschuldung (122 % zum BIP) zurückzuführen, in dem man die Zinsen unterhalb der Inflationsrate gehalten und von den Unternehmen hohe Nachkriegssteuern verlangt hatte.

In der damaligen Zeit hatte die Regierung kein Defizit und die Nettoverschuldung der Haushalte betrug etwa 60 Prozent. Während also die Inflation stieg und die Zinssätze gleichzeitig stiegen, konnte der durchschnittliche Haushalt seinen Lebensstandard aufrechterhalten.

Und heute?

Die Staatsverschuldung der USA wächst in einem Rekordtempo, auf aktuell über 33,100 Billionen Dollar, die Gesamtverschuldung der USA nähert sich bereits die 103 Billionen Dollar-Marke und das bei einem Bruttoinlandsprodukt, welches durch die Inflation gepusht, nominal auf über 27 Billionen Dollar ansteigen wird.

Hier die steigende Zinslast für Uncle Sam: Diese Grafik der Notenbankfiliale von St. Louis – FRED – ist nicht einmal besonders aktuell. Von Ende Juli und täglich wächst die Zinsbelastung um fast eine Milliarde Dollar.

FRED Interest Payments Federal G.

Wie in meinem Wochenendartikel dargestellt, entspricht diese Zinsbelastung durchschnittlichen Renditen von unter 2 Prozent, aufgrund der sehr niedrig verzinsten, alten US-Staatsanleihen. Bei einem „longer for higher“ in der Zinspolitik, wird diese Quote auf vier Prozent steigen, weiter aufgebläht durch die vielen neu zu emittierenden Staatspapiere.

Die USA haben sich verschuldet, als ob es kein Morgen gäbe. Plus 54 Prozent in fünf Jahren:

US National Debt Inflation

Was ein longer for higher recht unwahrscheinlich macht, ist die Tatsache, dass sich der US-Staat, im Gegensatz zu den US-Firmen recht kurzfristig verschuldet hat. 40 Prozent der Anleihen müssen bereits bis Ende 2024 refinanziert werden:

Auslaufende US-Staatsanleihen

Hinzu kommt: Die USA haben

– eine Gesellschaft mit 17,1 Billionen Dollar rekordverschuldeten Bürgern, u.a.

– mit 12 Billionen Dollar an Immobilienkrediten,

– mit 1,6 Billionen Dollar Schulden bei Autokrediten.

– mit 1,6 Billionen Dollar an Studentenkrediten,

– mit einer Billion Dollar in Kreditkarten und dies alles zu extrem gestiegen Zinsen, in kurzer Zeit.

Voller Inbrunst wird betont, dass die Zentralbank die Zinsen für längere Zeit hoch belassen und vor allem auch die Bilanz noch substanziell kürzen wird, um der Inflation das Genick zu brechen. Die Frage ist: Wen wird dies besonders treffen, den US-Staat in seinem Spielraum im Haushaltbudget und/oder den US-Konsumenten?

Hier eine Grafik von Lance Roberts, die aufzeigt wie sich die Lücke zwischen dem Einkommen der Bürger und ihren Ersparnissen zum Zwecke des Erhalts des Lebensstandards auf einem Rekordniveau befindet. Das Langzeitdiagramm zeigt: Es erfordert derzeit jährlich mehr als 6500 Dollar Schulden, um den Konsum aufrechtzuerhalten.

Wie wollen die US-Amerikaner bei dem hohen Zinsniveau künftig ihren Konsum finanzieren?

Consumer failing to make ends meet

Fazit

Der Vergleich mit der Inflation in den 1970/80-er-Jahren und heute hinkt, trotz einiger Gemeinsamkeiten.

Der große Unterschied ist die Riesenverschuldung, in die sich die USA hineinmanövriert haben. Natürlich befinden wir uns in einer Phase mit kommender strukturell höherer Inflation, abgekürzt durch die drei D’s: Demographie, Deglobalisierung und Dekarbonisierung – die Zeit der ultraniedrigen Inflationsraten dürfte vorbei sein.

Auf der anderen Seite wird der US-Konsument nicht in der Lage sein, höhere Preise über einen längeren Zeitraum bezahlen zu können. Erste Anzeigen sind bei den Unternehmensmeldungen vieler US-Einzelhändler schon zu erkennen. Was könnte man daraus schlussfolgern?

Gibt es vielleicht doch eine Phase der Stagflation oder in der Folge ganz einfach ein Jahrzehnt mit niedigeren Wachstumsraten, weil die US-Gesellschaft mit ihrer hohen Verschuldung nicht annähernd an die Wachstumsraten aus den 1970-ern herankommen kann? Selbst um das Trendwachstum von zwei Prozent zu erreichen, müssen immer weitere Schulden aufgenommen werden.

Und das bei den jetzigen Zinsen. Außer der Hype um die künstliche Intelligenz wird einen neuen Wachstumsschub generieren, höhere Profitabilität, einen neuen Kondratieff-Zyklus.

Kurz- und mittelfristig sind hierüber Zweifel angebracht.

„Dieses Mal ist alles anders“, sagt man oft an der Börse, um einen Hype zu begründen. Was sich zumeist jedoch als Irrtum herausstellt. Ein wenig stimmt dieser Spruch aktuell aber schon, im Vergleich zur Wirtschaft in den 1970-er-Jahren, als es weder Internet, noch Mobilfunk, noch Kabelfernsehen, noch soziale Medien und Just-in-Time-Produktion gab. Aber vor allem keine Verschuldung, wie sie es sonst nur in Kriegszeiten gegeben hat.

Wann also wird die Fed umsteuern, um doch wieder ein wenig unterstützende Zinspolitik und Quantitative Easing zu betreiben? 2023 bestimmt noch nicht, aber….!



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3 Kommentare

  1. Dr. Sebastian Schaarschmidt

    Natürlich hinkt der Vergleich, damals waren die Märkte noch günstig, heute nicht. Die Verschuldung war noch unten, heute nicht.

    Die Notenbanken konnten sich noch hohe Zinsen leisten, heute nicht.

    Dennoch, die Siebziger legten den Grundstein für den Supterbullenmarkt von 82 bis 00. Denn nur dadurch, das die Inflation besiegt wurde, konnten die Notenbanken die Zinsen senken und damit die Voraussetzung für die Hausse schaffen.
    Fundamental betrachtet waren natürlich die Aktienpreise in den Siebzigern sehr günstig.
    Kein Vergleich zu heute, wo sie schon um den Faktor 50 teilweise explodiert sind, wenn man zum Beispiel mal den Nasdaq nimmt.

  2. „…40 Prozent der Anleihen müssen bereits bis Ende 2004 refinanziert werden…“

    Bitte mal korregieren, der Artikel wird doch gelesen, wer neu hier reinstolpert, geht sonst wieder.

    1. @Manihuri: Sorry, war natürlich ein Tippfehler – 2024. Aus der Grafik darunter (40% less than one year), war es aber zu erkennen. Wie soll auch etwas demnächst 19 Jahre in der Vergangenheit refinanziert werden können?
      Grüße

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