Europa

"Kleiner Sieg" für die EZB Inflation in Spanien fällt unter 2-Prozent-Ziel der EZB

Spanien Inflation und EZB

Anders als in Deutschland, wo Sondereffekte wie das Auslaufen des 9-Euro-Tickets sowie des Tank-Rabatts sich jetzt in den Statistiken zur Inflation preistreibend bemerkbar machen, fiel die Inflation in Spanien im Juni gegenüber dem Vorjahresmonat auf ein Zweijahrestief und deutlich unter das Inflationsziel der EZB.

Inflation in Spanien unter 2 Prozent – ein kleiner Sieg für die EZB

Die spanische Inflation verlangsamte sich auf unter das von der Europäischen Zentralbank (EZB) angestrebte Niveau von 2 Prozent pro Jahr. Ein kleiner Sieg für die Frankfurter Beamten, die darum kämpften, die Kostensteigerungen in der gesamten Euro-Zone in den Griff zu bekommen.

Die nach europäischer Methode erfassten Verbraucherpreise (HVPI) lagen in Spanien im Juni 1,6 Prozent höher als ein Jahr zuvor, wie das Statistikamt INE (Instituto Nacional de Estadística) am Donnerstag in Madrid mitteilte. Im Mai betrug der Anstieg noch 2,9 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat. Erwartet wurde für Juni eine Teuerungsrate in Höhe von 1,9 Prozent.

Inflation in Spanien und die EZB

Im Monatsvergleich stieg das Preisniveau um 0,6 Prozent an, was einem annualisierten Wert von 7,2 Prozent entspricht.

Und auch die Kerninflation ohne die Berücksichtigung von Energie- und Lebensmittelpreisen bleibt trotz leichter Abschwächung mit 5,9 Prozent gegenüber 6,1 Prozent im Vormonat Mai recht hoch.

Energie- und Lebensmittelpreise für niedrigere Inflation hauptverantwortlich

Im vergangenen Jahr war die Inflation über zehn Prozent angestiegen. Ursachen waren der Ukraine-Krieg, die stark gestiegenen Energie- und Rohstoffpreise sowie Lieferengpässe. Die jetzt niedrigere Inflation erklärt das Statistikamt INE damit, dass die Preise für Kraftstoff, Strom und Lebensmittel im Jahresvergleich nur noch moderat angestiegen sind.

Die Daten aus Spanien werden die EZB-Beamten trotz der dramatischen Verbesserung daher nicht besonders beruhigen. Da die Kerninflationsrate weiterhin hoch bleibt und die politischen Entscheidungsträger beunruhigt über das zugrunde liegende Tempo des Preiswachstums im gesamten Euroraum sind, das sich in einem am Freitag erscheinenden Bericht wahrscheinlich noch einmal beschleunigt hat.

Gegenüber Bloomberg-TV sagte EZB-Vizepräsident Luis de Guindos am Mittwoch:

„Die Entwicklung der Kerninflation, also der zugrunde liegenden Inflation – das halte ich unter den gegenwärtigen Umständen für sehr relevant. Vielleicht wird die Kerninflation hartnäckiger sein, als wir glauben.“

Inflationserwartungen in Spanien sinken – Teuerung aber noch nicht besiegt

Guindos und seine Kollegen könnten sich über den signifikanten Rückgang der Erwartungen der Haushalte an die Preisentwicklung in Spanien trösten. Die Inflationserwartungen der Verbraucher sind laut einer am Donnerstag veröffentlichten Messgröße der Europäischen Kommission auf den niedrigsten Stand seit 2016 gesunken.

Laut Bloomberg Analytics wäre es gleichwohl verfrüht, den Sieg über die Inflation zu erklären. Da die günstigen Basiseffekte in Spanien in den kommenden Monaten auslaufen und somit die Gesamtrate der Inflation wieder kontinuierlich steigen wird und zum Jahresende 2023 bis knapp unter 4 Prozent liegen könnte. Erst Mitte 2024 wird das 2-Prozent-Ziel der EZB nachhaltig erreicht.

Später am Donnerstag werden Statistiker aus Deutschland, Europas größter Volkswirtschaft, voraussichtlich eine Beschleunigung der Inflation bekannt geben. Zuvor veröffentlichte Zahlen aus Nordrhein-Westfalen, dem größten Bundesland des Landes, zeigten einen Anstieg der Inflationsrate um 0,5 Prozentpunkte auf 6,2 Prozent, gemessen an nationalen Kriterien. Andere Berichte aus dem ganzen Land zeigten ebenfalls eine wieder steigende Preisdynamik.

Spanien könnte auf weitere Zinsanhebungen verzichten

Das ist zumindest die Meinung von Spaniens Wirtschaftsministerin Nadia Calvino. Die Inflationserwartungen für die Eurozone deuten immerhin auf einen Rückgang auf ein Siebenjahrestief hin.

Der Präsident der spanischen Notenbank und Mitglied des EZB-Rats, Pablo Hernández de Cos philosophiert sogar darüber, dass ein weiterer Zinsschritt der EZB im August „offen sei“.

Die Inflationsdaten aus der viertgrößten Volkswirtschaft der Euro-Zone werden etwas dämpfend auf die Inflation in der gesamten Eurozone wirken. Allerding dürfte der Anstieg der Teuerungsrate in Deutschland, der größten Volkswirtschaft im Euroraum, diesen Effekt nah oben überkompensieren.

Ökonomen gehen davon aus, dass die Gesamtinflationsrate im Juni auf 5,6 Prozent gesunken ist, während die zugrunde Kerninflation auf 5,5 Prozent ansteigt.

Guindos, ein ehemaliger spanischer Finanzminister, sagte, dass eine weitere Zinserhöhung der EZB im Juli eine „vollendete Tatsache“ sei, während die Frage offen sei, was auf der anschließenden Sitzung im September zu tun ist. Das ist derzeit der Schwerpunkt der Debatte unter den Geldpolitikern der EZB.

Anti-Inflationspaket als Risiko für Inflation

Die Geldmärkte halten an ihren Wetten fest, dass der Einlagensatz bis zum Jahresende auf bis zu 4,0 Prozent steigen wird (aktuell 3,25 Prozent), wobei der Großteil der Erhöhungen bei den politischen Entscheidungen im Juli und September erwartet wird.

Trotz des sich verlangsamenden Preiswachstums in Spanien verlängerte Premierminister Pedro Sanchez, der in Umfragen vor einer vorgezogenen Neuwahl am 23. Juli zurückliegt, am Dienstag ein Anti-Inflationspaket in Höhe von 3,8 Milliarden Euro in Form von Steuersenkungen und Subventionen.

Wobei „Anti-Inflationspaket“ in diesem Zusammenhang, ähnlich wie in den USA, als Euphemismus zu verstehen ist. Denn sowohl die schuldenfinanzierten Subventionsprogramme in den USA (Inflation Reduction Act, IRA) als auch die in Spanien, stärken die Nachfrage und wirken somit eher preistreibend.

Somit dürfte das Thema Inflation, vor allem in der hartnäckig hohen Kernrate, noch für einige Quartale ein Thema bleiben.

FMW/Bloomberg



Kommentare lesen und schreiben, hier klicken

Lesen Sie auch

3 Kommentare

  1. Die Gaspreise steigen zum Winter hin.Allein schon durch Wegfall der holländischen Gasliferungen
    sowie der dann fehlenden Gaslieferungen ünber die ösliche Pipeline aus Rußland.
    Was bedeuten steigende Energiepreise für unsere Volkswirtschft und die der EU ?
    Die zweite noch höhere Inflationswelle……………….
    Vielleicht nicht jetzt,aber dafür kann man sich im Winter schon schön „warm anziehen“ und an seiner
    Figur arbeiten……………….
    Allerdings habe ich bis heute noch nicht erkennen können,daß irgendetwas „billiger“geworden wäre

  2. Naja, in Spanien sind wir auch als Rentner einigermaßen glimpflich davon gekommen.
    Die Minirenten wurden im Januar um 15% erhöht, und die anderen Renten um 8,5%. Ist auch wirklich dazugekommen, denn Krankenkassenbeiträge brauchen Rentner nicht zahlen.
    Zwei Prozent im Schnitt könnte sein, denn Gemüse ist sehr preiswert geworden, und sogar Kartoffeln für 75 cent/kg.
    Kg Tomanten 99 Cent.
    Usw.
    Viele Grüße aus Andalusien Helmut

  3. Es sind am 23. Juli vorgezogene Neuwahlen und Sánchez braucht irgendwelche Erfolge. Und da kommt diese zusammengewürfelte Zahl gerade recht. In den letzten 2 Jahren ist alles im Durchschnitt 30 Prozent teurer geworden und die Preise steigen weiter mit „vielleicht“ einer kleinen Verschnaufpause. Die größte Sorge der meisten Leute hier sind die steigenden Hypothekenzinsen. Die meisten Zinsenberechnungen werden hier jährlich geändert und das haut nun so richtig rein. Die Zinshöhe der EZB werden wohl die Südländer am Ende entscheiden. Ich denke die EZB wird bald umkippen und die Zinsen wieder senken müssen. Die Realität wird die EZB bald einholen.

Hinterlassen Sie eine Antwort

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert




ACHTUNG: Wenn Sie den Kommentar abschicken stimmen Sie der Speicherung Ihrer Daten zur Verwendung der Kommentarfunktion zu.
Weitere Information finden Sie in unserer Zur Datenschutzerklärung

Meist gelesen 7 Tage