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Lagarde im Interview: Mal wieder alles nur „vorübergehend“

Heute früh wurde ein CNBC-Interview mit EZB-Präsidentin Christine Lagarde veröffentlicht (hier in voller Länger nachzulesen). Das Wort „Transitory“ oder „vorübergehend“ ist für Notenbanker dieser Tage sehr wichtig. Man braucht es nämlich um zu begründen, warum man trotz stark steigender Inflation die Geldpolitik nicht strafft. Kann man gut argumentieren, dass die höheren Preise nur vorübergehend so hoch sind und dass sich bald alles wieder auf tieferen Niveaus einpendelt, kann man auch weiterhin Geld drucken ohne Ende und die Zinsen bei Null belassen.

Erst am Mittwoch hatten wir aufgezeigt, wie laut Aussagen eines Notenbankers aus dem Kreise der EZB die Anleihekäufe auch ab April 2022 munter weiter laufen können, auch wenn man offiziell das Notfall-Kaufprogramm über derzeit 80 Milliarden Euro pro Monat beenden würde. Man hat nämlich noch andere laufende Kaufprogramme, wo man dann einfach die monatlichen Kaufvolumen aufstocken könnte.

Ursachen für höhere Inflation laut Christine Lagarde vorübergehend

Aber wir schweifen ab. Zurück zu Madame Lagarde und ihrem aktuellen Interview. Angesprochen auf die hohe Inflation (Eurozone 3,0 Prozent, Deutschland 3,9 Prozent), sagt Christine Lagarde, dass wahr sei, dass man bei der EZB in den letzten drei Quartalen viele seiner Prognosen nach oben korrigiert habe. Die Dinge hätten sich beschleunigt. Das gelte für das Wachstum, für die Inflation und für die Beschäftigung. In gewisser Weise seien das also gute Nachrichten, denn es bedeute, dass die Volkswirtschaften reagieren und wieder Arbeitsplätze geschaffen werden.

Bezüglich der derzeit steigenden Preise gehe man laut Christine Lagarde davon aus, dass sie sich im kommenden Jahr wieder deutlich stabilisieren werden, da viele der Ursachen für die höheren Preise „vorübergehend“ seien. Wenn man sich die Ursachen ansieht, dann haben sie zum großen Teil mit den Energiepreisen zu tun, so ihre Worte. Wenn man ein Jahr zurückblickt, seien die Preise ganz unten gewesen. Sie sind natürlich gestiegen, und die Differenz erklärt einen großen Teil der Inflation, die die Menschen derzeit leider erleben. Das Gleiche gilt für einige Auswirkungen der Mehrwertsteuer, die gesenkt wurde, um die Wirtschaft anzukurbeln. Vor allem in Deutschland ist die Mehrwertsteuer jetzt wieder erhöht worden. Das ist also ein weiterer Basiseffekt, wenn Sie so wollen, der das derzeitige Preisniveau erklärt, so Christine Lagarde.

Explodierende Gaspreise werden sich schon wieder einpendeln?

Ist auch alles nur „vorübergehend“ bei den explodierenden Gaspreisen? Wir haben die letzten Tage darüber berichtet. Laut Christine Lagarde steht hier einem knappen Angebot eine viel höhere Nachfrage gegenüber. Es gebe eine Anpassungsphase, die derzeit stattfindet. In der Regel habe man bei früheren Krisen, Lieferengpässen und Engpässen gesehen, dass sich die Situation im Laufe der Zeit entspannt. Wenn man Lieferungen nicht aus einer bestimmten Quelle beziehen kann, versuche man eine andere Quelle zu finden. Sie spricht die schwerwiegenden Schäden in den Lieferketten an, zum Beispiel an die Tsunamis oder die dramatischen Vorfälle in Japan. Jeder habe gedacht, dass die Lieferketten für die nächsten 12 Monaten beschädigt und unterbrochen sein würden. Nun, innerhalb von drei Monaten sei ihrer Aussage nach die Versorgung wiederhergestellt und neue Lieferketten eingerichtet worden. Die Dinge würden sich auch dieses Mal wieder einrenken, wenn neue Versorgungsquellen gefunden werden. Das Thema Energie werde uns wahrscheinlich noch länger beschäftigen, da wir auch hier von fossilen Energiequellen auf solche umsteigen, die weniger fossil sind. Dies sei ein Übergang, der im Gange sei.

In Deutschland sieht man: Die erneuerbaren Energien verursachen hierzulande die höchsten Strompreise in Europa. Und was sagt Christine Lagarde dazu, ob Erneuerbare inflationär sind? Werde dieser Übergang zu einer CO2-freien Welt deflationäre oder eher inflationäre Aspekte oder Kräfte haben, so die Frage im Interview. Ihre Befürchtung sei, dass die Lage heute nicht klar ist. Es gebe erste Studien und Wissenschaftler, die sich damit befassen. Aber sie denke, die Entscheidung ist noch nicht gefallen. Nach der Lektüre einiger dieser Studien habe sie die Vermutung, dass die Umstellung die Preise wahrscheinlich für eine kurze Zeit in die Höhe treiben und später möglicherweise eine deflationäre Wirkung haben wird. Aber es sei noch sehr, sehr verfrüht um das zu sagen.

EZB eher Wirtschaftsregierung als Zentralbank?

Hat sich Christine Lagarde da nicht ganz im Griff gehabt bei ihren Aussagen? Denn die folgenden Worte hören sich eher so an, als sei die EZB eine europäische Wirtschaftsregierung als eine Zentralbank mit dem Fokus auf stabile Preise. Eigentlich ist es ja eh klar, dass die EZB Geld druckt und Zinsen im Keller hält, damit die Südländer sich günstig verschulden können, und damit die Wirtschaft angekurbelt wird. Aber offiziell ist das große Ziel der EZB ja stets nur die Preisstabilität? Angesprochen auf das mögliche Tapering (Abbau der Anleihekäufe) sagt Christine Lagarde, dass es nicht um Tapering gehe, sondern nur um eine Neu-Kalibrierung der Geldpolitik der EZB.

Die Geldpolitik der EZB sei „darauf ausgerichtet günstige Finanzierungsbedingungen zu schaffen. Warum ist das so? Weil wir die Wirtschaftsakteure unterstützen wollen – ob Haushalte, Unternehmen, Großunternehmen oder Staaten – sie alle brauchen günstige Finanzierungsbedingungen, um die Brücke zur Post-Pandemie-Phase zu schlagen.“ Und um sicherzustellen, dass es günstige Finanzierungsbedingungen gibt, schaue man sich die gesamte Finanzierungskette an. Man schaue sich bei der EZB die Inflationsaussichten an und bestimme, wie viel geldpolitische Unterstützung notwendig ist. Und das helfe der EZB dabei die Anleihekäufe zu kalibrieren, die man für notwendig halte – deshalb habe man kalibriert und beschlossen im kommenden Quartal moderat zu kaufen.

EZB-Chefin Christine Lagarde
EZB-Präsidentin Christine Lagarde. Foto: Wilson Dias/ABr Creative Commons Attribution 3.0 br



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