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Wie kann sich Europa vom LNG aus Russland lösen?

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Im letzten Jahr erlebten LNG-Lieferungen aus Russland nach Europa einen Pusch nach vorn.

Wie kann Europa seine Abhängigkeit von Russland bei LNG reduzieren?

In einer aktuellen Studie vom europäischen Think Tank Bruegel geht es um die Frage, wie Europa ohne russisches LNG überwintern kann, und welche Sanktionsmöglichkeiten sich anbieten, um Russland von Einnahmequellen abzuschneiden.

Im Mai importierte Europa erstmals mehr Flüssiggas als Gas über Pipelines. Spanien verdreifachte in diesem Monat sogar seine LNG-Importe aus Russland. Mit rund 9,7 TWh lagen sie nach Daten des spanischen Gastransportunternehmens Enagás nur knapp hinter den LNG-Importen vom Hauptlieferanten Algerien mit 9,8 TWh auf Platz 2. Kamen in dieser Monatsbilanz LNG-Importe aus Algerien und Russland beide je auf rund 28 Prozent, folgten die USA noch hinter Nigeria mit einem Anteil von knapp 6 Prozent erst auf Platz 5.

Medien zufolge erweist sich Spanien als das europäische Land, das am stärksten von russischem Gas abhängt und das am meisten unter einem Embargo leiden würde. Der Krieg in der Ukraine habe die Situation der Energieversorgung in der Europäischen Union verändert. Länder, die zuvor weniger russisches Gas verbraucht hätten, seien am stärksten abhängig geworden. Deutschland beziehe seit der Sprengung der Gasleitung Nord Stream 1 indes kein Gas aus Russland mehr. Im Gegensatz dazu machten an spanischen Häfen immer mehr Tanker mit LNG aus Russland fest.

LNG aus Russland: Die meisten Tanker legen in Spanien an

Enagás zufolge lag 2021 in Spanien der russische Gasimportanteil bei 8,9 %. Dieser sei im letzten Jahr auf 12,1 % gestiegen. Das Wachstum sei so groß, dass Spanien in diesem Jahr bereits fast so viel Gas von Russland bezog wie im Vorkriegsjahr 2021 insgesamt. Russland hat sich so vom viert- zum zweitgrößten Lieferanten entwickelt. Auch die Experten vom Think Tank Bruegel stellten in ihrem Policy Brief „Die EU kann ohne Verflüssigtes Erdgas aus Russland auskommen“ vom Juni fest, dass der größte Teil des russischen LNG über spanische Häfen importiert wird, während die übrigen Mengen auf belgische, niederländische und französische Häfen entfallen.

Im vergangenen Winter importierte Spanien mit 18 % von allen europäischen Ländern das meiste russische LNG. Damit übertraf es Frankreich mit 15 % und Belgien mit 10 %. Dabei berücksichtigten die Bruegel-Analysten, dass die Verbindungen zwischen der Iberischen Halbinsel und dem größeren europäischen Gasmarkt begrenzt sind. Folglich verbleibt das meiste importierte LNG im Land. Zugleich wird Gas nach Frankreich in Form von Strom, den Gaskraftwerke erzeugen, exportiert. All das weist darauf hin, dass Spanien bei einem Embargo von russischem LNG am stärksten betroffen sein würde.

Für jede zweite verlorene russische Ladung muss Ersatz her

Im Vergleich dazu sind laut Studienautoren die Effekte auf die Speicherfüllstände in den EU-Staaten bei einem Lieferstopp von russischem LNG, sei dieser von der EU verordnet oder durch Russland selbst verhängt, relativ gering. Für das stärker betroffene Spanien legen sie drei Szenarien zugrunde, in denen wie in allen EU-Staaten der verordnete Verbrauchsrückgang um 15 Prozent gilt. Bleiben die Importe im ersten Szenario wie in den letzten Monaten unverändert, leeren sich die Speicher auf ein typisches Niveau, womit die Halbinsel problemlos zurechtkommt. Fallen im zweiten Szenario die LNG-Importe aus Russland ersatzlos weg, leeren sich die Speicher bis Januar. Dies halten die Bruegel-Experten indes für wenig wahrscheinlich. Sie gehen von Ersatzlieferungen aus und zeigen im dritten Szenario, „dass diese Ersatzrate 50 Prozent betragen müsste, damit die Halbinsel den ganzen Winter über Reserven von über 20 Prozent aufrechterhält, d. h. Spanien sollte eine alternative Versorgung für jede zweite verlorene russische Ladung finden.“

Ebenso könnten erhöhte Pipeline-Lieferungen aus Algerien eine Option sein, die die Bruegel-Analysten wegen der anhaltenden diplomatischen Spannungen nicht in ihre Szenarien einbezogen haben. Könne die EU-25 ohne russisches LNG problemlos auskommen, hänge die Situation auf der Iberischen Halbinsel von der Fähigkeit ab, alternative LNG-Quellen zu finden.

Da diese auf dem Seeweg gehandelt werden, seien LNG-Ladungen einigermaßen austauschbar. Russland werde versuchen, LNG an anderer Stelle zu verkaufen, während EU-Käufer Alternativen suchten. Theoretisch sollte der Weltmarkt mit zusätzlichen Friktionen durch weniger effiziente Handelswege wieder ins Gleichgewicht kommen. Dies wäre mit den Auswirkungen des russischen Rohölembargos der EU vergleichbar.

Embargo für LNG aus Russland ist ohne Schocks möglich

Löschen keine Tanker mit LNG aus Russland in europäischen Häfen ihre Ladung, „werden die Auswirkungen auf die globalen Märkte und die russischen Einnahmen von der Fähigkeit Russlands abhängen, Ladungen umzuleiten“, heißt es in der Bruegel-Studie. Im Jahr 2022 beliefen sich die russischen LNG-Exporte in die EU auf 197 TWh oder 44 Prozent der gesamten LNG-Exporte Russlands. Weitere 20 Prozent entfielen auf den Export nach China und der Rest ging in andere Länder. Das meiste LNG kommt von der nordsibirischen Halbinsel Yamal. Im nordischen Winter müssen Tanker nach Asien den längeren Weg über den Suez-Kanal nehmen. Ein Verbot auf diesem Weg, europäische Hafen für Zwischenspeicherungen zu nutzen, würde für Russland die Kosten erhöhen.

Insgesamt gehen die Studienautoren davon, dass die Auswirkungen in der EU ohne russisches LNG in den Sommermonaten sehr begrenzt sind, während es in den Wintermonaten zu geringfügigen Preiserhöhungen kommen kann. Das Ausmaß von Preiserhöhungen hänge von Anspannung auf dem globalen LNG-Markt auch durch die zusätzliche Nachfrage Europas nach alternativen LNG-Ladungen ab. Doch „die Auswirkungen eines Endes des russischen LNG wären nicht vergleichbar mit den Schocks, die durch den Rückgang der russischen Pipeline-Gasflüsse im Jahr 2022 verursacht wurden.“

Angesichts dessen und um den russischen Staat und seine Kriegsanstrengungen nicht weiter zu finanzieren, empfehlen die Bruegel-Experten der EU ein vollständiges Embargo für russisches LNG. Das Embargo könne so gestaltet sein, dass Käufe nur dann möglich sind, wenn sie über die EU-Energieplattform koordiniert werden. Das einheitliche Vorgehen würde die strategische Position der EU wahren und es ihr ermöglichen, die Importe im Einklang mit dem Ziel für 2027 zu reduzieren. Darüber hinaus könnten Angebote gemacht werden, russisches LNG nur zu einem Preis unter dem Marktpreis zu erwerben.



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2 Kommentare

  1. die aktuelle Politik bzw. Russland ist für mich total irrational. Sie löst kein einziges Problem, schafft aber viel Leid.

  2. Russisches LNG wird nur noch an asiatische Staaten und an die anderen Beitrittskandidaten der BRICS geliefert, und die dann frei werdenden LNG-Kapazitäten können dann an Europa geliefert werden.
    Langfristig werden sich die Lieferinteressen von Russland sowieso mit allen Rohstoffen ausschließlich Richtung Asien, Afrika und Südamerika ausrichten.
    Was hat Russland noch mit Europa zu tun?
    Rohstoffe benötigt die ganze Welt.
    Der ganze Welthandel in Rohstoffen wird sich durchschütteln, aber das ist immer so, wenn Handelswege ausgebaut oder erweitert werden.
    Bis Russland seine Ölexporte nach Indien mehr als verzwanzigfacht hatte, hat es auch gerumpelt, und jeder Öltanker der gerade noch schwimmen konnte, wurde vom Schrottplatz geholt.
    Natürlich muss dann ein Lieferant auch Preisnachlässe geben, wenn er bei seinem Kunde den Warenabsatz mehr als verzwanzigfachen will.
    Aber das ist ja überall so.
    Also, verfahren wie beim Öl und Europa bekommt mehr LNG.
    Zwar das dreckige Frackinggas aus den USA, während die Russen ihr verflüssigtes Pipelinegas verkaufen.

    Viele Grüße aus Andalusien Helmut

    Viele Grüße aus Andalusien Helmut

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