Die Wirtschaft in China steht vor einem steinigen Weg zur Erholung, wie die am Montag veröffentlichten offiziellen Wirtschaftsdaten für Januar und Februar eindrucksvoll belegen. Sie zeigen ein gemischtes Bild der wirtschaftlichen Lage des Landes. Diese Praxis, Daten für die ersten beiden Monate des Jahres zu bündeln, soll Schwankungen ausgleichen, die durch das chinesische Neujahrsfest entstehen können, das je nach Jahr in einem dieser Monate liegt.
The Good: Robuste Zuwächse in Schlüsselsektoren in China
Die am Montag vom Nationalen Statistikbüro (NSB) veröffentlichten Daten zeigen eine positive Entwicklung in mehreren Bereichen der chinesischen Wirtschaft. Die Einzelhandelsumsätze stiegen um 5,5% und die industrielle Produktion um 7%, was die Schätzungen von 5% Wachstum übertrifft. Die Investitionen in Sachanlagen erhöhten sich um 4,2%, deutlich über den prognostizierten 3,2%. Die Arbeitslosenquote in den Städten lag im Februar bei 5,3%. Ein besonderes Wachstum ist bei den Online-Einzelhandelsumsätzen für physische Waren zu verzeichnen, die um 14,4% gegenüber dem Vorjahr anstiegen.
Im Detail verzeichnete der Sektor für Unterkunft und Gastronomie den größten Anstieg von 12,1%, was mit den Zahlen, die zum Frühlingsfest vorlagen, korrespondiert. Es folgten die Bereiche Informationsübertragung, Software und IT-Dienstleistungen mit einem Zuwachs von 10,4%. Der Finanzsektor wuchs robust um 8,2%, und die Bereiche Transport, Lagerhaltung und Postdienste verzeichneten ein Plus von 7,1%. Der Groß- und Einzelhandel legte um 7% zu.
Die Investitionen in die Fertigung stiegen im Jahresvergleich um 9,4%, was eine Beschleunigung um 2,9 Prozentpunkte gegenüber 2023 bedeutet. Es scheint, dass die Investitionen in den Fertigungssektor den Immobiliensektor als Quelle für ungesundes Wachstum ablösen. Dass Siemens davon nicht profitieren kann, macht deutlich, dass sich China in diesem Bereich vom Westen löst und eigene Anbieter bevorzugt.
Die Investitionen in den Infrastrukturbau erhöhten sich in China um 6,3% gegenüber dem Vorjahr, was 0,4 Prozentpunkte mehr als im letzten Jahr ist.
The Bad: Rohstoff- und Kreditdynamik – China und seine wirtschaftliche Achillesferse
Ein durchmischtes Bild zeigen die Indizes für Rohstoffe, Lithium-Preise und das Kreditwachstum.
Die Preise für Lithium, ein entscheidender Rohstoff für Batterien in Elektrofahrzeugen, sind in den letzten Wochen gestiegen. Dieser Anstieg ist wahrscheinlich auf Minenschließungen bei CATL und eine erhöhte Nachfrage zurückzuführen. Diese Entwicklung könnte auf mittelfristige Versorgungsengpässe und Preisschwankungen auf dem Markt für Batterierohstoffe hindeuten, was die Stabilität der Elektroautoindustrie beeinträchtigen könnte.
Das Kreditwachstum in China hat im Februar das langsamste Tempo seit Beginn der Aufzeichnungen erreicht. Die von der People’s Bank of China veröffentlichten Zahlen zeigen, dass der Bestand an Yuan-Krediten im Vergleich zum Vorjahr um nur 9,7% gewachsen ist, was das erste Mal seit 2003 ist, dass diese Rate unter 10% fällt.
Die Gesamtfinanzierung, ein breiter Kreditmaßstab, wuchs nur um 9%, was ebenfalls nahe einem Rekordtief liegt. Die Geldmenge M1, das Bargeld im Umlauf und Unternehmensnachfrageeinlagen umfasst, schwächte sich auf 1,2% ab, den niedrigsten Stand seit Januar 2022. Diese Indikatoren sind besorgniserregend, da sie darauf hindeuten, dass Unternehmen nicht planen, Geld kurzfristig für Investitionen oder zur Ausweitung der Produktion zu verwenden.
Experten wie Ding Shuang von Standard Chartered betonen, dass das Hauptproblem in der Nachfrage der Realwirtschaft liegt und nicht allein durch Geldpolitik gelöst werden kann. Die schwache Kreditnachfrage zu Beginn des Jahres 2024 erschwert es Peking, das Wirtschaftswachstumsziel von etwa 5% zu erreichen. Trotz Schritten der Zentralbank, die Nachfrage anzukurbeln, wie etwa der Senkung eines Schlüsselzinssatzes für langfristige Kredite und der Reduzierung der Mindestreserveanforderungen für Banken, hat dies bisher wenig zur Belebung der Aktivität beigetragen.
Die Preise für Stahl, Kohle und Basisrohstoffe sind ein entscheidender Indikator für die wirtschaftliche Dynamik und beeinflussen zahlreiche Industriezweige. Die Stahlpreise haben zwischen Anfang Februar und Mitte März 2024 von 7,262 Yuan (ca. 929,83 Euro) auf 7,211 Yuan (ca. 923,30 Euro) nachgegeben.
Dieser Rückgang reflektiert die anhaltend gedämpfte Stimmung im Bausektor. Die Kohlepreise zeigen ebenfalls einen Rückgang, von 1,048 Yuan (ca. 134,19 Euro) im Dezember 2023 auf 958 Yuan (ca. 122,66 Euro) Mitte März 2024. Dies stellt eine messbare Abnahme dar, die verschiedene Aspekte der Energie- und Produktionskosten beeinflussen.
Besondere Aufmerksamkeit verdienen im Moment die Preise für Rohmaterialien, die als Vorprodukte für die Exportindustrie dienen. Denn die wichtige Weihnachtsaison steht im Haus. In den nächsten zwei Monaten entscheidet sich, wie die ausländischen Hersteller und Importeure die Stimmung in ihren Heimatländern einschätzen. Nach dem chinesischen Neujahrsfest fiel der Preisindex von 174.0 Anfang Januar auf 139.4 Punkte Mitte März. Ob dies auf geringere Nachfrage, eine effizientere Produktion hinweisen, ist im Moment noch nicht klar zu erkennen. Ein Warnzeichen ist es allemal.
The Ugly: Der Immobiliensektor in der Krise
Wie nicht anders zu erwarten, kommen die wirklich schlechten Zahlen aus dem Immobiliensektor. Die Investitionen in Immobilien sind in den ersten beiden Monaten des Jahres im Vergleich zum Vorjahr um 9% gesunken. Eine Analyse von Goldman Sachs, die einen gewichteten Durchschnitt der offiziellen Zahlen verwendet, zeigt einen saisonbereinigten annualisierten Rückgang der durchschnittlichen Immobilienpreise für 70 bedeutende chinesische Städte um 4,5% im Februar gegenüber Januar. Dieser Rückgang ist steiler als der 3,5%ige Rückgang im Januar und könnte ein Indikator für eine Beschleunigung der Preisrückgänge sein.
Fazit: China und seine Wirtschaft – Stabilisierung im Gegenwind
Die aktuellen Wirtschaftsdaten aus China zeigen, dass die Nation eine bescheidene wirtschaftliche Erholung erlebt, die jedoch durch die anhaltende Immobilienkrise und schwache Konsumausgaben belastet wird. Die Überinvestitionen in die Fertigung scheinen die Überinvestitionen in Immobilien als neue Quelle ungesunden Wachstums zu ersetzen. Michelle Lam, Chefökonomin für Großchina bei der Societe Generale SA, kommentierte die Situation folgendermaßen: „Die Wirtschaft stabilisiert sich dank der Angebotsseite und einer gewissen Verbesserung der Exportnachfrage. Die Verbrauchernachfrage bleibt jedoch eine Schwachstelle.“
In den aktuellen Zahlen sind zwei Komponenten des sogenannten Li-Keqiang-Index enthalten: Der Güterverkehr, indirekt durch höhere Online-Bestellungen, und die Kreditvergabe. Zusammen bestätigen sie den Befund, dass die wirtschaftliche Erholung weiterhin herausfordernd bleibt.
Selbst Peking muss zugeben, dass der Weg der wirtschaftlichen Erholung holprig bleibt: „Insgesamt setzte sich die wirtschaftliche Erholung in China in den Monaten Januar bis Februar fort, wobei verschiedene makroökonomische Maßnahmen wirksam wurden. Aber wir müssen auch sehen, dass das externe Umfeld zunehmend komplex, düster und unsicher ist und das Problem unzureichender inländischer Nachfrage noch besteht. Die Grundlage für die wirtschaftliche Erholung muss noch weiter gefestigt werden.“
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Die weitere wirtschaftliche Entwicklung der Volksrepublik China wird sich möglicherweise auch auf den Ölpreis auswirken. Erdölabnehmer erwägen in diesem Zusammenhang möglicherweise die Nutzung des Finanzproduktes Rohstoffsicherungsgeschäft/Hedgefonds.