Aktien

Die Gründe für den Höhenflug an den Aktienmärkten Die Wall Street-Rally macht ein Jahr Fed-bedingter Verluste wett

Die Wall Street-Rally macht ein Jahr Fed-bedingter Verluste wett

Angesichts einer nachlassenden Inflation hat die Wall Street die Angst vor der Fed beiseite geschoben, die sie 15 Monate lang beherrscht hat. Anleger greifen wieder bei Aktien zu, zuletzt sind sie dabei sogar euphorisch geworden, was vor allem am KI-Hype liegt. Trotz der Straffungskampagne im ersten Halbjahr 2023 konnten die Aktienmärkte eine Rally hinlegen, die den marktbreiten S&P 500 sogar zurück in einen Bullenmarkt geführt hat. Der viel beachtete Leitindex legte seit seinem Tief im Oktober 2022 um 25 % zu, womit er die Bullenmarkt-Schwelle von 20 % überwunden hat, was Analysten als Signal für eine neue Hausse ansehen.

Wie Bloomberg berichtet, verzeichnete der S&P 500 in der fünften Woche in Folge Kursgewinne, dadurch liegt er nun höher als am 16. März 2022, dem Tag, an dem die Federal Reserve den aggressivsten Zinserhöhungzyklus seit vier Jahrzehnten einleitete. Die US-Aktien sind dabei nicht allein – vom Dollar über die Volatilität der Anleihen bis hin zur Positionierung an den Aktienmärkten liegen die wichtigsten Kennzahlen wieder in der Nähe der Niveaus, die vor dem Beginn der Zinserhöhungen um 500 Basispunkte erreicht wurden.

Wall Street: Fokus liegt nicht mehr auf der Fed

Die Märkte, die über ein Jahr nur auf die Bemühungen der Fed um eine Abschwächung des Wirtschaftswachstums und der Inflation fokussiert waren, konzentrieren sich nun auf die Gesundheit der Unternehmensbilanzen und das Potenzial für einen Anstieg der Investitionsausgaben, da die Unternehmen sich für einen KI-Boom umrüsten.

„Die Fed wird in den nächsten sechs bis 12 Monaten wahrscheinlich etwas  weniger wichtig sein als bisher“, sagte Jonathan Mackay, Leiter des Plattformvertriebs bei Schroders. „Andere globale und fundamentale Faktoren werden eine größere Rolle spielen, da die Fed möglicherweise eine längere Zinspause einlegt.“

Die US-Notenbank hat zuletzt signalisiert, dass das Ende ihres Zinszyklus näher rückt. Dementsprechend erwarten die Treasury-Anleger, dass die Volatilität nachlässt, nachdem es in den vergangenen 15 Monaten mehrfach zu großen täglichen Renditeschwankungen gekommen war. Neben den Konjunkturdaten werden ebenfalls Themen wie die Geopolitik und Chinas Wirtschaftswachstum bei den Marktteilnehmern vermehrt in den Vordergrund rücken.

„Bisher wussten wir, dass die Fed die Zinsen nur deshalb angehoben hat, weil die Inflation lange Zeit zu hoch war“, sagte Fiona Cincotta, leitende Marktanalystin bei City Index. „Doch jetzt wird es viel stärker von den Daten abhängen.“

Höhenflug an den Aktienmärkten

Die Aktienmärkte haben in der ersten Hälfte des Jahres 2023 einen Höhenflug erlebt, der die Anleger von der Seitenlinie weggelockt und einige der lautesten Bären an der Wall Street zur Umkehr ihrer Strategie gezwungen hat. Die Deutsche Bank hat zum ersten Mal seit mehr als 16 Monaten eine Übergewichtung von Aktien ermittelt und damit ein Niveau erreicht, das zuletzt vor Beginn des Konjunkturzyklus erreicht wurde.

Wall Street: S&P 500 und Nasdaq machen die Fed-bedingten Verluste wett
Wall Street: S&P 500 und Nasdaq machen die Fed-bedingten Verluste wett

Die Volatilität ist sowohl bei Anleihen als auch bei Aktien stark zurückgegangen: Der ICE BofA MOVE-Index, der die erwarteten Kursschwankungen bei US-Staatsanleihen anzeigt, notiert in der Nähe seines Tiefpunkts vor der Verschärfung der Krise, während der Cboe Volatility-Index (VIX), der die Volatilität im S&P 500 misst, sich auf einem Niveau bewegt, das zuletzt im Jahr 2020 zu beobachten war.

Der Bloomberg Dollar Spot Index notiert in der Nähe des Niveaus vom April 2022 und ist seit seinem Rekordhoch um fast 10 % gefallen.

Der S&P 500 verzeichnete am Tag des Fed-Zinsentscheids am Mittwoch, die geringste Reaktion seit zwei Jahren. Während die Fed nach elf Zinserhöhungen in Folge eine Zinspause verkündete, hoben die Währungshüter gleichzeitig die Prognosen für höhere Kreditkosten auf 5,6 % für 2023 an. Dies würde zwei weitere Zinserhöhungen um einen Viertelpunkt oder einen halben Punkt bis zum Ende des Jahres bedeutet. Die Wall Street zwar von der hohen Zinsrate überrascht, dennoch gab es kaum eine Reaktion im S&P 500 und Co., geschweige denn einen Abverkauf. Vor einem Jahr hätten die Aktienmärkte wohl noch ganz anders auf die „schlechte“ Nachricht reagiert.

Aktien im S&P 500 steigen, während Makro-Trends für die Aktienmärkte an Bedeutung verlieren
Makro-Trends verlieren für die Aktienmärkte an Bedeutung

Wall Street: Hausse trotz Rezession

Die Hausse steht auch im Widerspruch zu der 65%igen Wahrscheinlichkeit einer Rezession in den USA innerhalb eines Jahres, die von Ökonomen prognostiziert wird. Der Zusammenbruch von vier regionalen Banken und die Invertierung der Zinskurse sprechen für einen wirtschaftlichen Abschwung. Der Wall-Street-Veteran Bob Michele rechnet mit einer Rezession bis Ende des Jahres, die die Fed schließlich zu einer Lockerung der Geldpolitik zwingen wird.

Bislang zeigt sich die amerikanische Wirtschaft trotz der drastischen Zinserhöhungen stabil, wie der robuste Arbeitsmarkt und die überwiegend gesunden Unternehmensbilanzen unterstreichen. Die Strategen der Bank of America, die zu den größten Bären an der Wall Street gehören, haben ihr Ziel für US-Aktien heraufgesetzt und sind optimistischer geworden, was die Wirtschaftsaussichten angeht. Sie gehen inzwischen nur noch von einem „späteren und moderateren Abschwung“ aus.

Peter Chatwell ist jedoch nicht davon überzeugt, dass die Wirtschaft oder die Aktienmärkte dem Sog einer strafferen Politik lange widerstehen können.

„Die laufende Rally ist eher typisch für eine Bärenmarktrally als für einen neuen Bullenmarkt“, warnte der Leiter des Handelsbereichs für globale Makrostrategien bei Mizuho International. Der Kursanstieg stehe „auf einem schwachen Fundament und ist anfällig für eine Anpassung an höhere mittelfristige Zinssätze“. Noch hält die Fed nämlich an ihrem Narrativ „higher for longer“ fest.

Unabhängig davon, ob der Bullenmarkt nun real ist oder nicht, zieht er die Anleger in Scharen an. In den letzten drei Wochen beliefen sich die weltweiten Zuflüsse in US-Aktien auf 38 Mrd. US-Dollar, die stärkste Dynamik der Zuflüsse in diese Anlageklasse seit Oktober, so die Bank of America unter Berufung auf EPFR Global.

„Die Bären, also die pessimistischen Anleger, scheinen endlich das Handtuch geworfen zu haben und beginnen, der Rally hinterherzulaufen„, sagte Emmanuel Cau, Leiter der europäischen Aktienstrategie bei Barclays. „Solange die Rezession in den USA aufgeschoben wird, können Aktien unserer Meinung nach weiter steigen.“

FMW/Bloomberg



Kommentare lesen und schreiben, hier klicken

Lesen Sie auch

Hinterlassen Sie eine Antwort

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert




ACHTUNG: Wenn Sie den Kommentar abschicken stimmen Sie der Speicherung Ihrer Daten zur Verwendung der Kommentarfunktion zu.
Weitere Information finden Sie in unserer Zur Datenschutzerklärung

Meist gelesen 7 Tage