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Federal Reserve: Die politisch unabhängigste Notenbank der Welt?

Wie abhängig ist die US-Notenbank von der Politik?

Federal Reserve unabhängig

In dieser Woche gab es eine konzertierte Aktion mehrerer US-Senatoren mittels eines offenen Briefes an den Präsidenten der US-Notenbank Federal Reserve mit der Bitte, die Wirkung künftiger Zinsschritte auf Arbeitsmarkt und Konjunktur zu bedenken. Sofort stellte sich einmal mehr die Frage nach der Unabhängigkeit der Hüter des Geldes gegenüber der Politik.

Die US-Notenbank ist politisch wohl nicht unabhängig, aber Powell hat bewiesen, dass er sehr resistent ist, gegenüber Anordnungen aus dem Weißen Haus.

Beispiele: Der härteste US-Präsident der letzten Jahrzehnte, Donald Trump, hat Powell öffentlich mehrere Monaten als Dummkopf hingestellt, weil er nicht willens und in der Lage sei, die Zinsen auf null zu senken oder sogar darunter, wie Deutschland, das sogar Geld verdient hat, indem es Schulden aufnahm. Trump hat sogar prüfen lassen, ob er Jay Powell nicht als Chef der Federal Reserve absetzen könnte.

Und dann im November 2021 als Powell vermeintlich von Joe Biden den Auftrag bekam: „Bring mir die Inflation runter, dafür ernenne ich dich ein zweites Mal zum Fed-Chef“ – und was hat Powell gemacht? Er hat sich vier Monate Zeit gelassen für ein kleines und unwirksames Zinsschrittchen von 0,25 Prozent. Wenn er wirklich so gehorsam gewesen wäre, dann wäre der erste Zinsschritt im Dezember oder spätestens im Januar erfolgt. Also, meiner Ansicht nach hat sich die Federal Reserve unter Jerome Powell politisch bisher nicht sehr abhängig gezeigt, eher doch sehr resilient gegenüber politischen Anweisungen.

Bei der gestrigen Notenbankentscheidung kam es zu dem erwartenden Zinsschritt von 75 Basispunkten, gleichzeitig aber folgte der Hinweis darauf, dass eine restriktive Geldpolitik noch für eine längere Zeit erforderlich sein könnte. Sieht so ein Einknicken gegenüber dem politischen Druck aus Washington aus?

Die Aktienkurse stiegen zunächst, fielen aber mehr und mehr als der Chef der US-Notenbank in seiner Pressekonferenz unmissverständlich die Entschlossenheit der Fed in der Inflationsbekämpfung hervorhob. Preisstabilität sei das Wichtigste für das Funktionieren von Staat und Wirtschaft. Eine Erkenntnis mit einem unübersehbaren Time-Lag.

Der gesetzliche Auftrag der Federal Reserve

Es geschieht zumeist bereits in der ersten Minute des Statements von Fed-Chef Jerome Paul, sein Hinweis auf das gesetzliche Mandat der Fed: „Price Stability and Maximum Employment“! Oder was er in letzter Zeit ständig hinzufügt: „My colleagues and I are strongly committed to bring down Inflation.“

Klar kann man behaupten, die Notenbank achte zu sehr auf nachlaufende Indikatoren, wie den Arbeitsmarkt oder die Inflation, aber ist dies nicht vonseiten der Regierung so vorgegeben worden? Wie volatil sind Frühindikatoren – und könnte man aus der Sicht des gesetzlichen Auftrags bei einer Arbeitslosenrate von 3,5 Prozent (50-Jahrestief) und 8,2 Prozent Inflationsrate (40-Jahreshoch) ein Ende der Zinsanhebungen ankündigen?

Im Übrigen: Klar ist die Arbeitslosenquote ein nachlaufender Konjunkturindikator, weil die Unternehmen erst dann Beschäftigte entlassen, wenn sich die konjunkturelle Lage deutlich eingetrübt hat. Aber der sogenannte JOLTS-Report, die Entwicklung der offenen Stellen, ist eher ein gleichlaufender Indikator, eine Zunahme der freien Stellen deutet auf eine robuste Wirtschaftslage hin, in der die Unternehmen in Summa zusätzliche Kräfte nachfragen. Der Anstieg der „Job Openings“ am Dienstag auf 10,71 Millionen war so gar nicht im Interesse der Federal Reserve und sicherlich Anlass für Powells Bemerkung zur Robustheit des US-Arbeitsmarktes.

Ein Blick in die Historie

Wer erinnert sich noch an Arthur Burns, den Fed-Chef, den man despektierlich als „Waschlappen“ Richard Nixons in den 1970-ern tituliert hatte? Der mit Zinssenkungen trotz einer noch hohen Inflation verhindern sollte, dass die Arbeitslosigkeit in den USA zunimmt? Mit fatalen Folgen, die rasch zu einem noch höheren Niveau der Teuerung in den USA führen sollten.

Als Nachfolger kam der mächtige Paul Volcker, nicht nur wegen seiner Körpergröße (2,01 m), sondern auch wegen seinen gigantischen Zinsanhebungen mit bis zu 20,06 Prozent im Januar 1981, die der Inflation den Garaus bereiteten. Der damit aber auch eine Rezession verursachte, dies aber in einer Zeit, in der sowohl die Verschuldung des Staates, als auch die der Verbraucher zwischen 30 und 40 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt betragen hatte. Die Unabhängigkeit der US-Notenbank Federal Reserve, ein ewiges Thema.

Was haben wir seither schon alles an Notenbank-Chefs erlebt.

Den „Nuschler“ Alan Greenspan, bei dem man versucht hatte anhand der Dicke seiner Aktentasche auf mögliche Zinsmaßnahmen zu schlussfolgern. Der berühmt wurde durch seine Formulierungen, um die Märkte möglichst stark im Ungewissen zu belassen. Mit Sätzen wie diesen:

„Ich weiß, dass Sie glauben, Sie wüssten, was ich Ihrer Ansicht nach gesagt habe. Aber ich bin nicht sicher, ob Ihnen klar ist, dass das, was Sie gehört haben, nicht das ist, was ich meinte.“ (Alan Greenspan US-Notenbank-Chef von 1987 bis 2006).

Dann kam Ben Bernanke, Spitzname Helikopter-Ben, der sich sehr mit der großen Weltwirtschaftskrise nach 1929 beschäftigt hatte, mit seiner Erkenntnis, dass die damalige Verknappung der Geldmenge zu dieser wirtschaftlichen Katastrophe geführt hatte. Der viele Notenbanker durch seine Arbeiten beeinflusst hat und der erst vor wenigen Wochen einer der drei amerikanischen Nobelpreisträger im Bereich Wirtschaftswissenschaften wurde.

Gefolgt 2014 von der nüchtern und sachlichen Wirtschaftswissenschaftlerin Janet Yellen, verheiratet mit einem weiteren Wirtschaftsnobelpreisträger (George Arthur Akerlof, Preisträger 2001).

Bei all der akademischen Bildung wird aber bei der Betrachtung der Geschichte der Geldpolitik eines deutlich: Kein Notenbank-Chef war in der Lage in die ökonomische Zukunft zu blicken. Die Federal Reserve war stets eine Getriebene der Märkte und reagierte stets mit zeitlicher Verzögerung auf wirtschaftliche Entwicklungen.

So wie aktuell:

Konnte ein Geldpolitiker im Jahre 2019 wissen, dass bald darauf mit Covid-19 zeitweise vier Milliarden Menschen in häusliche Quarantäne gezwungen werden, dass im Jahr 2021 die Lockdowns in China zu gigantischen weltweiten Lieferengpässen führen würden (wegen einer Handvoll Corona-Fälle im größten Hafen der Welt)? Dass 2022 ein Krieg in Europa ausbricht, der zu einer weltweiten Energiekrise führt, mit immer noch sehr unkalkulierbaren Folgen? Nein, und damit bleibt die punktgenaue Steuerung der Inflation auf 2,0 Prozent ein Wunschtraum der Ökonomie, der umso heftiger pointiert wird, desto mehr an Wissen (aus der Vergangenheit) in den Elfenbeintürmen des Geldes akkumuliert ist.

Einschätzung

Im Rückblick auf die gestrige Pressekonferenz von Fed-Chair Powell ist eindeutig festzustellen, dass sich dieser vom politischen Druck aus Washington nicht groß hat beeinflussen lassen. Mit großem Nachdruck betonte er die Bereitschaft der Federal Reserve, die Inflation entschlossen zu bekämpfen.

Der entscheidende Satz war: „Ultimate rate level will be higher than previously anticipated.“ Ein höheres Niveau als vorher erwartet, das war sicherlich nicht im Sinne der agierenden US-Senatoren und kein Zeichen von allzu starker politischer Abhängigkeit.

Ein weiterer Schlüsselsatz: „Very premature to think about pausing“ zerstörte die Hoffnung einer raschen monetären Kehrtwende.

Der gestrige Rückschlag an den Aktienmärkten dürfte auch nicht im Sinne von US-Präsident Biden sein, wenige Tage vor den Midterm Elections. Was spontan zu Kommentaren in den sozialen Medien geführt hat, wie diesen: „Bye, bye, Democrats!“

Egal welche wirtschaftliche Folgen dies in absehbarer Zeit nach sich ziehen wird – Powell ist ein recht konsequenter Chef der US-Notenbank Federal Reserve. Man stelle sich ein derartiges Verhalten in anderen Ländern vor (Türkei)!

Wohl auch kein Vergleich zur EZB, die sehr politisch gesteuert ist, mit einer Politikerin an der Spitze, die die Kommunikation zwischen Politik und Wirtschaft verbessern sollte. Als Diplomatin und wohl weniger als Geldpolitikerin.

Am gestrigen Abend hieß es wieder einmal: Don’t fight the Fed. Auch wenn dies in absehbarer Zeit zu einem raschen Schwenk bei der Fed-Politik führen könnte, durch eine „Earnings Recession“ der Unternehmen, einen einbrechenden Hausmarkt, einen weiter steigenden US-Dollar und weiteren Verzerrungen am Anleihemarkt.

Eine Kehrtwende, die aber historisch wiederum nichts Ungewöhnliches wäre.



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1 Kommentar

  1. Einspruch euer Ehren. Ab 09/2019 haben sie die Banken am Repomarkt ausgebailt ,um danach Hand in Hand mit den Regierungen die gleichen Summen Neukredit(Stimmychecks) in der Bilanz wieder weiß zu waschen.Aber 100%zig wussten die Notenbanken mit der Bilanzierung der Stimmy Checks,daß dieses absichtliche Helikopter-Geld sofort inflationwirksam wird.Also bitte. Und es bleibt dabei ,daß augenscheinlich
    Corona nur Mittel zum Zweck war. Was oder welches Thema sollte sonst solche Summen rechtfertigen inkl. folgender Inflation inkl. folgender in Kauf genommener Stagflation, plus jetzt noch Rezession !
    Keiner konnte das wissen und alles ist alternativlos !! Diese beiden Aussagen sind der größte Bullshit der letzten Jahrzente.

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