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Mal ein kleines Lob für den „Mainstream“

FMW-Redaktion

Im Sinne von Transparenz + Weihnachtsstimmung heute auch mal ein Lob an die sogenannte Mainstream-Presse, in diesem Fall die Tagesschau. Es geht um das Thema „Ehrlich machen“. Jeden Monat werden stumpf die frisierten Daten zur Arbeitslosigkeit in Deutschland 1:1 so veröffentlicht wie sie von der Bundesagentur für Arbeit ausgegeben werden. Gestern erwähnte die Tagesschau einen Umstand, den wir schon lange anprangern…

Andrea Nahles
Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles könnte eine abstruse Praxis abstellen. Wäre aber schlecht für die Optik. Foto: Heinrich Böll-Stiftung / Wikipedia (CC BY-SA 2.0)

Die Tagesschau erwähnte gestern in ihrer 20 Uhr-Ausgabe kurz den Anstieg der Zahl älterer Hartz 4-Empfänger, ab 55 Jahre. Waren es im Jahr 2010 noch 257.000, so waren es 318.000 in 2014, und im November 2015 schon 321.000 Personen. Diese Info an sich ist nichts Sensationelles – die Meldung in der Tagesschau selbst basiert nicht auf einer normalen Meldung der Bundesagentur für Arbeit, sondern auf ihrer Antwort bzgl. einer Anfrage der stellvertretenden Vorsitzenden der Fraktion „Die Linke“ Sabine Zimmermann.

Der Skandal, den wir schon mehrmals thematisiert hatten, liegt in der Unterschlagung einer großen Personengruppe. 58-65jährige Arbeitslose, die mind. ein Jahr kein Arbeitsangebot mehr erhalten haben, werden in der Statistik einfach gar nicht mehr als arbeitslos erfasst – dies erwähnte gestern auch die Tagesschau – dafür mal ein kleines Lob an dieser Stelle, dass sowas überhaupt mal der breiten Öffentlichkeit kundgetan wird. Der offizielle Grund für dieses Rausstreichen aus der offiziellen Arbeitslosenstatistik: die Chancen auf Vermittlung in Arbeit seien für über 58jährige so gering!

Wir hatten mehrmals darauf hingewiesen, dass der Sinn einer Arbeitslosenstatistik ja darin besteht zu sehen, wie viele Menschen arbeitslos sind. Nur weil man zu einer Personengruppe gehört, deren Vermittlungschancen gering sind, ist man trotzdem arbeitslos und gehört also öffentlich auch als arbeitslos geführt! Aber so hat die Bundesagentur bzw. die sozialdemokratische (!) Ministerin Andrea Nahles einen kleinen Weg gefunden die „Halde“ etwas kleiner aussehen zu lassen.

Original-Zitat

In der Rubrik „Unterbeschäftigung“ in der monatlichen Statistik-Veröffentlichung der Bundesagentur für Arbeit findet man diese Aufstellung von Personengruppen, die nicht als arbeitslos gezählt werden:

• alle zivilen Erwerbspersonen
• Teilnehmer an Eignungsfeststellungs- und Trainingsmaßnahmen (einschl. Förderung der Teilhabe von behinderten Menschen am Arbeitsleben) (ausgelaufen)
• Teilnehmer an Aktivierung und beruflicher Eingliederung
• Teilnehmer an beruflicher Weiterbildung (einschl. Förderung der Teilhabe von behinderten Menschen am Arbeitsleben)
• Fremdförderung (ab Mai 2012)
• Personen, die wegen 53a Abs. 2 SGB II nicht arbeitslos zählen (ab Mai 2012)
• Inanspruchnahme des § 428 SGB III, § 65 Abs. 4 SGB II und § 252 Abs. 8 SGB VI (ab Mai 2012)
• Kurzfristige Arbeitsunfähigkeit (ab Mai 2012)

Darin enthalten sind auch 58-65jährige, die arbeitslos sind. Man hat im Jahr 2012 entschieden diese Personengruppe als „nicht mehr arbeitslos“ zu erklären gemäß § 53a Abs. 2 SGB II. Denn dort heißt es:

„Erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die nach Vollendung des 58. Lebensjahres mindestens für die Dauer von zwölf Monaten Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende bezogen haben, ohne dass ihnen eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung angeboten worden ist, gelten nach Ablauf dieses Zeitraums für die Dauer des jeweiligen Leistungsbezugs nicht als arbeitslos.“

Sabine Zimmermann von den Linken forderte dieses dreiste Herausrechnen aus der Statistik abzuschaffen und diese Menschen mit zu zählen, so wie es eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte. Auf den ersten Blick eine winzige statistische Angelegenheit, aber überlegt man es sich mal genauer, könnte man so fast jeden Arbeitslosen irgendwie verschwinden lassen aus der offiziellen Zahl. Könnte man nicht z.B. einen Analphabeten streichen, weil seine Chancen auf Arbeitsvermittlung ebenfalls gering sind? Die Liste ließe sich endlos fortsetzen.

Zurück zur Tagessschau

Warum das Lob für die Tagesschau? Es ist schön, dass die Damen und Herren überhaupt mal erwähnen (es waren nur ein paar Sekunden), dass ältere Arbeitslose einfach nicht als arbeitslos eingestuft sind, weil man nicht glaubt, dass sie noch eine Arbeit finden können. Es gibt ja ständig irgendwelche Anfragen von Abgeordneten an Behörden, da wäre es nicht nötig gewesen diese „Randnotiz“ zu erwähnen, aber anscheinend ist irgendwem in der Tagesschau-Redaktion ein kleines Lichtlein aufgegangen, als er diese „unwichtige Meldung“ in seinem Ticker gelesen hatte.

Als nächster Schritt wäre es lobenswert, wenn Leitmedien wie die Tagesschau etc die monatlichen Arbeitsmarkt-Statistiken nicht stumpf 1:1 von der Bundesagentur für Arbeit übernehmen und veröffentlichen würden, sondern sich mal ein klein wenig Zeit nehmen würden um anhand des veröffentlichten Materials nachzurechnen, dass die tatsächliche Arbeitslosigkeit in Deutschland gut 30% höher liegt als offiziell angegeben!



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