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Mehr Schulden machen oder Ausgaben einschränken? Rezession: US-Verbraucher vor Zerreißprobe – Ersparnisse weg

Rezession: US-Verbraucher vor Zerreißprobe - Ersparnisse weg

Die Erwartungen einer harten Landung in der wichtigsten Volkswirtschaft der Welt haben sich bislang nicht bewahrheitet. Stattdessen mehrten sich zuletzt in den USA die Anzeichen, dass ein deutlicher Wirtschaftsabschwung trotz der aggressiven Geldpolitik der US-Notenbank Fed vermieden werden kann. Über den Berg ist die US-Wirtschaft aber noch nicht. Da die Verbraucher weiterhin Geld ausgeben und die Aktivitäten im Dienstleistungssektor hoch blieben, konnte die US-Wirtschaft bislang einer Rezession entgehen. Doch das könnte sich bald ändern, da die Ersparnisse der Haushalte zu Neige gehen.

Die Wirtschaft in den USA könnte ein Problem bekommen, da die Ersparnisse der Verbraucher fast aufgebraucht sind. Die Konsumenten stehen nun am Scheideweg: Sollen sie weitere Schulden machen, um zu konsumieren, oder ihre Ausgaben einschränken? Eine Zerreißprobe für die US-Verbraucher, denn die überschüssigen Ersparnisse, die sie während der Pandemie angesammelt haben, gehen zur Neige. Wie sie darauf reagieren, wird mit darüber entscheiden, ob die größte Volkswirtschaft der Welt einer Rezession entkommen kann.

Ersparnisse aufgebraucht

Wie Bloomberg berichtet, haben in den letzten zwei Jahren die Verbraucher ihre während der Pandemie angehäuften Ersparnisse in Höhe von mehr als 2 Billionen Dollar aufgebraucht, um angesichts der hohen Inflation weiterhin Geld ausgeben zu können. Dadurch blieb die Wirtschaft stabil, selbst als die Federal Reserve die Zinssätze so schnell wie seit vier Jahrzehnten nicht mehr erhöht hat. Da die Sparquote und das Bargeldpolster jedoch schrumpfen, werden die Verbraucher immer abhängiger von ihren Gehaltsschecks, um ihren Lebensstandard zu halten.

Das bringt die Verbraucher an einen Scheideweg. Sie müssen sich nun entscheiden, ob sie ihre Ausgaben einschränken oder ob sie sich noch tiefer verschulden sollen, so Wendy Edelberg und Sofoklis Goulas vom Hamilton-Projekt der Brookings Institution. Dies gilt insbesondere für Arbeitnehmer mit geringem Einkommen, da sie weniger Spielraum für Anpassungen haben.

Wirtschaft: Ersparnisse der Verbraucher sind aufgebraucht - Kommt die Rezession?
US-Verbraucher: Sparquote bricht nach der Pandemie ein

Belastungen nehmen zu – Rezession?

Die Ökonomen sind sich noch uneins darüber, wie besorgt man jetzt sein sollte. Einige sehen diese Belastung zusammen mit anderen sich abzeichnenden Hürden – wie der Wiederaufnahme der Zahlungen für Studentenkredite im Oktober für Millionen von Kreditnehmern – als Ursache für eine Rezession. Da Kredite aufgrund der Maßnahmen der Fed teuer und schwer zu bekommen sind, werden sich die Verbraucher veranlasst sehen, ihre Ausgaben einzuschränken, was die Wirtschaft in eine Schrumpfung treiben wird, so die Befürchtung.

„Immer mehr Haushalte sind dadurch gezwungen, sich mit ihren Budgetgrenzen auseinanderzusetzen“, sagte Jonathan Pingle, Chefökonom der UBS, der gegen Ende dieses Jahres eine leichte Rezession erwartet. Das dürfte den Verbraucherausgaben entgegenwirken.

Es gibt aber auch Wirtschaftsexperten, die optimistischer sind. Sie gehen davon aus, dass die sinkende Inflation und der nach wie vor robuste Arbeitsmarkt den Verbrauchern die nötigen Barmittel an die Hand geben, um weiterhin Geld auszugeben, selbst wenn ihre Ersparnisse schrumpfen.

Einkommenswachstum hilft den Verbrauchern

„Das Einkommenswachstum ist jetzt stärker als die Inflation“, sagte Mark Zandi, Chefökonom von Moody’s Analytics. „Der Bedarf an überschüssigen Ersparnissen zur Unterstützung der anhaltend robusten Verbraucherausgaben schwindet also.“

Die gemischten Aussichten spiegelten sich in den in der vergangenen Woche veröffentlichten Daten wider. Die US-Einzelhandelsumsätze stiegen im vergangenen Monat deutlich an, und Walmart, Target und Home Depot meldeten für das im Juli zu Ende gegangene Geschäftsquartal Gewinne, die die Schätzungen der Wall Street übertrafen. Dennoch mahnten die Führungskräfte der Unternehmen zur Vorsicht für die kommenden Monate.

„Es gibt Gründe, in Bereichen wie der Beschäftigung und der Lohninflation optimistisch zu sein“, sagte der Vorstandsvorsitzende von Walmart, Doug McMillon, in einer Telefonkonferenz mit Analysten am 17. August. „Es gibt aber auch Gründe zur Besorgnis, da die Bilanzen der Verbraucher im Laufe der Zeit schwächer werden könnten.“

US-Verbraucher geben weiterhin Geld aus, was die Wirtschaft stützt
US-Verbraucher geben weiterhin Geld aus – Einzelhandelsumsätze stiegen um 0,7 % im Juli

Unklarheit über die Ersparnisse der Verbraucher

Die Ersparnisse der Amerikaner schwollen während der Pandemie an, sowohl durch die Konjunkturpakete und andere staatliche Leistungen als auch durch eingeschränkte Ausgaben für Restaurantbesuche, Urlaubsreisen und ähnliches. Unklar ist, wie viel von diesem Geld noch übrig ist. So, wie es derzeit aussieht, nicht mehr allzu viel.

In einer Rede in Sintra, Portugal, am 28. Juni sagte der Fed-Vorsitzende Jerome Powell, dass wahrscheinlich noch etwas übrig sei. Er fügte jedoch hinzu, dass die „Hauptantriebskraft“ für den Konsum und die Wirtschaft die Stärke des Arbeitsmarktes und das damit verbundene Einkommen der Arbeitnehmer sei.

In einer neueren Einschätzung sagten die Forscher Hamza Abdelrahman und Luiz Oliveira von der San Francisco Fed in einem Blogbeitrag vom 16. August, dass die zusätzlichen Ersparnisse, die während der Pandemie aufgebaut wurden, wahrscheinlich in diesem Quartal aufgebraucht sein werden.

Der leitende Wirtschaftswissenschaftler der Citigroup, Robert Sockin, hält das für zu pessimistisch. Seiner Meinung nach überschätzen die Forscher der Fed, wie viel Geld die Amerikaner regelmäßig auf die Seite gelegt haben. Seiner Ansicht nach verfügen die Haushalte immer noch über etwa 1,4 Billionen Dollar an zusätzlichen Barmitteln, auf die sie zurückgreifen können.

Das hat es den Verbrauchern ermöglicht, trotz der restriktiveren Kreditvergabe der US-Notenbank weiterhin Geld auszugeben, was die Citibank dazu veranlasst hat, den Beginn der von ihr prognostizierten Rezession auf das erste Quartal des nächsten Jahres zu verschieben.

Verbraucher in der Schuldenfalle?

Die Haushalte mit niedrigerem Einkommen spüren jedoch bereits den Druck.

„Die überschüssigen Ersparnisse der ärmeren Hälfte der Bevölkerung sind fast aufgebraucht, während die rasch steigenden Kosten für die Schuldentilgung die Verbraucher in finanzielle Bedrängnis bringen“, schrieben Anna Wong, Chefvolkswirtin bei Bloomberg Economics, und ihre Kollegen in einer Notiz vom 14. August.

Die revolvierenden Kredite der Verbraucher sind im vergangenen Jahr um mehr als 10 % gestiegen, da die Amerikaner ihre Kreditkarten trotz eines massiven Anstiegs der Kreditkosten stärker in Anspruch genommen haben. Auch die Zahlungsrückstände bei Autokrediten und Kreditkarten haben deutlich zugenommen.

Zumindest bislang sind solche Anzeichen für eine Notlage noch kein Grund zur Sorge, so Edelberg und Goulas von Brookings. Sollten sich die finanziell angeschlagenen Haushalte jedoch weiter verschulden, wäre dies besorgniserregender, so die beiden Wissenschaftler in einem in diesem Monat veröffentlichten Bericht.

„Wir sind ein wenig besorgt über die Verbraucher, wenn sie im Verhältnis zu ihrem Einkommen weiterhin so viel ausgeben wie jetzt“, sagte Goulas in einem Interview. „Aber da die Wirtschaft insgesamt gut läuft, was das Beschäftigungswachstum angeht, ist es noch unklar, ob wir eine Rezession erleben werden oder nicht.

FMW/Boomberg



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1 Kommentar

  1. Ob das alles noch gut geht, vor allem weil der Einkauf von „Billigwaren“ aus China verringert wird?
    Und……..der Krieg in der Ukraine kostet auch USA – Geld. 🤔

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