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Ausführliche Zusammenfassung der Gründe Warum China in die Deflation gerutscht ist – Analyse

Warum China in die Deflation gerutscht ist - Analyse

Die schlechten Nachrichten aus China häuften sich zuletzt: schwache Konjunkturdaten verdeutlichen die wackelige Erholung der Wirtschaft in China. Die Industrie befindet sich in der Kontraktion und der Außenhandel bricht ein, wie die Daten am Dienstag gezeigt haben. Jetzt ist das Land auch noch offiziell in die Deflation gerutscht! Wie das Statistikamt in Peking gestern mitteilte, sanken Verbraucherpreise im Juli im Vergleich zum Vorjahr um 0,3 Prozent. Die Erzeugerpreise gingen im Juli sogar um 4,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr zurück, damit lagen die Preise bereits den zehnten Monat in Folge im Minus.

China rutscht in die Deflation

Die Daten vom Juli ließen keinen Zweifel aufkommen: China hat es jetzt eindeutig mit einer Deflationsgefahr zu tun. Zum ersten Mal seit 2020 sind die Verbraucher– und Erzeugerpreise gemeinsam gesunken, was die Besorgnis über den Zustand der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt noch verstärkt, so Bloomberg. Die Nachricht, dass die Preise in China sinken, mag angesichts des Inflationsdrucks in vielen anderen Teilen der Welt etwas schockierend sein. Aber die besonderen Faktoren, die zu Chinas Problemen beitragen, sind tiefgreifend und tief verwurzelt. Sie zu lösen, dürfte nicht einfach sein.

1. Warum herrscht in China Deflation, während in anderen Ländern Inflation herrscht?

Die Inflation schoss in den USA und anderen großen Volkswirtschaften in die Höhe, als sie sich nach der Covid-19-Pandemie wieder öffneten. Dabei wurde die aufgestaute Nachfrage zeitweise durch staatliche Hilfen noch stärker angeheizt. Zu Beginn dieses Jahres sagten einige Ökonomen voraus, dass dasselbe in China passieren würde, das seine Covid-Beschränkungen erst deutlich später aufhob. Doch das war nicht der Fall. Das Wachstum der Verbraucherausgaben ist nach wie vor gedämpft, und die anhaltende Immobilienkrise hat das Vertrauen der Menschen erschüttert und sie davon abgehalten, größere Anschaffungen zu tätigen, was sich beispielsweise auf die Preise für Möbel und Haushaltsgeräte auswirkt.

Auch die Energiepreise sind angesichts der weltweit schwachen Rohstoffpreise und der langjährigen Kontrolle Pekings über den Energiesektor gesunken. Ein Preiskrieg zwischen den Autoherstellern hat den Deflationsdruck noch verstärkt. Zudem senkten die Hersteller die Preise, um die Überbestände abzubauen, die sie während der Pandemie aufgebaut haben. Die Preise gehen jedoch nicht in allen Bereichen zurück. Die Ausgaben für Dienstleistungen wie Reisen und Restaurants sind seit dem Ende der Pandemie-Beschränkungen sprunghaft angestiegen, und die Preise in diesen Sektoren steigen weiter.

China Deflation - Preise fallen: Verbraucher- und Erzeugerpreise
China: Verbraucher- und Erzeugerpreise fallen zusammen
2. Wenn alles billiger wird, ist das nicht gut für die Verbraucher?

Nicht wirklich. Günstigere Preise sehen auf den ersten Blick gut für die Verbraucher aus, aber das bedeutet nicht unbedingt, dass diese Käufer auch Geld ausgeben werden. Wenn die Preise für eine breite Palette von Waren über einen längeren Zeitraum hinweg sinken, denken die Menschen, dass es am besten ist, den Kauf teurer Gegenstände wie Haushaltsgeräte aufzuschieben. Denn sie gehen davon aus, dass die Preise weiter fallen werden. Das bremst die Wirtschaftstätigkeit noch mehr, was wiederum die Unternehmen zwingt, ihre Preise weiter zu senken. Für die Verbraucher bedeutet das in der Regel, dass sie weniger verdienen oder ihren Arbeitsplatz verlieren, was wiederum dazu führt, dass sie weniger ausgeben, was eine gefährliche Abwärtsspirale in Gang setzt.

3. Was ist mit den Auswirkungen auf die Unternehmen?

Niedrigere Preise führen in der Regel zu geringeren Umsätzen und Gewinnen, was die Unternehmen dazu veranlasst, Investitionen und Neueinstellungen zu drosseln. Deflation erhöht auch das Niveau der „realen“ oder inflationsbereinigten Zinssätze in der Wirtschaft. Ein Anstieg der Kosten für die Bedienung von Krediten für Unternehmen verringert deren Fähigkeit zu investieren, was wiederum die Nachfrage dämpft und eine weitere Deflation auslöst.

Einige Wirtschaftswissenschaftler sind der Meinung, dass eine solche „Schuldendeflation“ Rezessionen oder Depressionen auslösen kann, da die Menschen ihre Kredite nicht mehr bedienen können und die Banken untergraben werden. Ein Beispiel dafür ist Japan, wo der Preisverfall in den 1990er Jahren einsetzte und zu einer lang anhaltenden Stagnation führte, die die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt bis heute nicht vollends hinter sich gelassen hat. Das Land beschäftigt sich immer noch mit der Frage, wie das Wirtschaftswachstum auf nachhaltige Weise angekurbelt werden kann. Die Einführung von Negativzinsen durch die Bank of Japan hat kaum etwas bewirkt, so dass in diesem Jahr neue geldpolitische Maßnahmen ergriffen wurden.

Wirtschaft schwächelt trotz Lockerung der Geldpolitik - Deflation
Chinas Realzinsen steigen trotz Lockerung der Geldpolitik
4. Wie lange wird diese Deflation anhalten?

Sinkende Lebensmittel- und Energiekosten trugen erheblich zum Abwärtsdruck auf die Juli-Zahlen bei. Allerdings gehen einige Ökonomen davon aus, dass diese Preise im weiteren Verlauf des Jahres weniger stark ins Gewicht fallen werden. Die Herstellerpreise befinden sich schon länger in der Deflation, nämlich seit Oktober 2022. Der Juli-Wert zeigte zuletzt eine leichte Verbesserung gegenüber dem Vormonat, was auf eine gewisse Stabilisierung der Erzeugerpreise hindeutet. Generell ist die Inflation in China seit einem Jahrzehnt eher niedrig, was Wirtschaftsexperten auf die hohe Sparquote der privaten Haushalte und die hohen Investitionen zurückführen, die zu einem raschen Anstieg der Industriekapazität geführt haben.

Peking: China-Wirtschaft - Die fallenden Preise belasten
Chinas Exportpreise erleben den größten Rückgang seit einem Jahrzehnt
5. Was wird Peking in dieser Situation wahrscheinlich tun?

Die People’s Bank of China könnte die Zinssätze weiter senken oder die Menge an Cash, die die Banken als Reserve halten müssen, reduzieren. Das Problem ist, dass die Zentralbank mit mehreren Einschränkungen konfrontiert ist, wie z. B. einem schwächeren Yuan und einer bereits hohen Verschuldung, insbesondere auf der Ebene der regionalen Regierungen. Auch die fiskalische Unterstützung ist angesichts der finanziellen Anspannungen moderat ausgefallen, was bedeutet, dass die Behörden weniger geneigt sind, sich wie in der Vergangenheit auf große Ausgabenmaßnahmen zu verlassen und stattdessen auf gezielte Strategien zurückgreifen. Peking hat auch die regionalen Behörden ermutigt, Wege zu finden, um die Menschen dazu zu bringen, ebenfalls Geld auszugeben.

6. Was ist mit ausländischen Investoren?

Die deutlichsten Auswirkungen dürften bei den Unternehmensgewinnen zu verzeichnen sein, da die Unternehmen in Zeiten der Deflation unter Druck stehen, ihre Preise zu senken. Etwas mehr Potenzial besteht bei den Anleihen, die die Anleger in schwierigen Zeiten besser schützen. Sorgen um das Wachstum und gedrosselte Investitionen veranlassen die Regierungen in der Regel zu einer lockeren Geldpolitik, was auch die Anleihen eines Landes attraktiver macht. Ken Cheung, leitender Devisenstratege für Asien bei der Mizuho Bank sagte jedoch, dass die Renditen der chinesischen Staatsanleihen im Vergleich zu den wichtigsten Märkten einfach zu niedrig sind, um für ausländische Händler attraktiv zu sein.

7. Was bedeutet dies für die Weltwirtschaft?

Für die Industrieländer könnten sich zumindest kurzfristig einige Vorteile ergeben. Wenn die chinesischen Hersteller ihre Preise senken, um das Überangebot abzubauen, könnte dies auf Länder wie die USA und Europa übergreifen und den dortigen Zentralbanken bei der Eindämmung der hohen Inflation helfen. Es gibt jedoch einige Einschränkungen: Beide Regionen sind in den letzten Jahren protektionistischer geworden und haben versucht, ihre Abhängigkeit von China zu verringern.

Außerdem machen in China hergestellte Waren nur einen relativ kleinen Teil der Verbraucherausgaben in den Industrieländern aus. So wird der Warenkorb des Verbraucherpreisindex (CPI) der USA von den Bereichen Wohnen, Lebensmittel, Energie und medizinische Versorgung dominiert, die relativ wenig mit Importen aus China zu tun haben. Die Schwellenländer könnten niedrigere Maschinenpreise begrüßen. Allerdings mit einigen Vorbehalten, da Analysten darauf hingewiesen haben, dass diese Länder sich davor hüten könnten, zu viel chinesische Konkurrenz zuzulassen, die die heimische Industrie untergräbt.

8. Ist so etwas schon einmal vorgekommen?

Ja. Jedes Mal, 2009, 2015 und 2020, reagierte Peking mit einer kräftigen Lockerung der Geldpolitik und umfangreichen steuerlichen Anreizen. Zwar hat Peking versprochen, einige Infrastrukturprojekte zu beschleunigen und den einbrechenden Wohnungsmarkt stärker zu unterstützen, doch erwarten viele Ökonomen keinen groß angelegten Bauboom wie in der Vergangenheit, da sich Präsident Xi Jinping darauf konzentriert hat, die Wirtschaft auf neue Wachstumsfaktoren wie fortschrittliche Technologien umzustellen. Damit würde die Reaktion Pekings eher der Reaktion auf die Deflation von 1998 ähneln, die heute als strukturell bezeichnet wird. Peking rekapitalisierte leistungsschwache Banken und verkleinerte seinen Staatssektor im Vorfeld des Beitritts zur Welthandelsorganisation.

FMW/Bloomberg



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