Die EZB beließ die Zinsen bereits bei ihrer letzten turnusmäßigen Sitzung vom 25. bis zum 26. Oktober unverändert. Im jüngsten Protokoll zu dieser Rats-Sitzung wurden jedoch weitere Leitzinserhöhungen bei Bedarf über das Niveau von 4,5 Prozent (Hauptrefinanzierungssatz) hinaus in Aussicht gestellt. Jetzt die verbale Relativierung: Laut Lagarde kann die EZB nun die Auswirkungen ihrer Zinserhöhungen erst einmal tatenlos beobachten und sie eröffnet sogar die Möglichkeit von Zinssenkungen.
Zinsgipfel auch in der Euro-Zone erreicht?
Nach den Worten von Präsidentin Christine Lagarde ist die Europäische Zentralbank (EZB) nun an einem Punkt angelangt, an dem sie innehalten und die Auswirkungen ihrer Straffungspolitik bei den Zinsen abwarten kann, so Bloomberg News am Freitag: „Wir haben schon sehr viel getan“, sagte Lagarde (Anmerk. der Redaktion: zur Bekämpfung der Inflation). „Angesichts der Menge an geldpolitischer Munition, die wir verbraucht haben, können wir die Komponenten unseres Lebens wie Gehälter, Gewinne, steuerliche und geopolitische Entwicklungen und sicherlich auch die Art und Weise, wie sich unsere Maßnahmen auf unser Wirtschaftsleben auswirken, sehr aufmerksam beobachten, um zu entscheiden, wie viel Zeit wir haben, die Zinsen unverändert zu belassen und welche Entscheidung wir treffen müssen – nach oben oder unten.“
FMW dazu: „Mit dem Zusatz „nach unten“ kommen auf einmal auch Zinssenkungen, zumindest verbal, wieder ins Spiel. Das würde bedeuten, dass auch in der Euro-Zone der Zinsgipfel erreicht sein könnte und weicht von der hawkishen Sprachwahl des erst am Donnerstag veröffentlichten Protokolls zur letzten EZB-Ratssitzung ab. Doch die Märkte schenkten den Aussagen im Protokoll ohnehin wenig Glauben.“ Seit Ende Oktober liegen die Leitzinsen der EZB bereits auf Eis. Sie befänden sich nun auf einem Niveau, so Lagarde, das dazu beitragen werde, die Inflation wieder auf das Ziel von 2 Prozent pro Jahr zu bringen, wenn es lange genug beibehalten werde.
Anzeichen für Wirtschaftsabkühlung mehren sich
Laut der EZB-Präsidentin mehren sich nun die Anzeichen dafür, dass die beispiellose geldpolitische Straffungskampagne, die Mitte 2022 begann, Auswirkungen auf die Wirtschaft hat. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im 20 Länder umfassenden Euroraum schrumpfte im dritten Quartal 2023 um 0,1 Prozent. Obwohl die Europäische Kommission noch in der letzten Woche betonte, dass eine Rezession wahrscheinlich vermieden werden kann, da die steigende Kaufkraft der Verbraucher zu einer leichten Erholung führen werde.
FMW dazu: „Die stark gestiegenen Zinsen und noch kommenden Steuer- und Gebührenerhöhungen sowie die Haushaltssperre in Deutschland, Europas größter Volkswirtschaft, lässt die EZB in Sachen Zinsen offenbar vorsichtiger werden.“ Bei einer Veranstaltung in Spanien am Freitag äußerte sich Vizepräsident Luis de Guindos gemäß Bloomberg News weniger sicher. Er sagte, dass die Wirtschaft im Euroraum wahrscheinlich stagniere, betonte jedoch ebenfalls, dass die Risiken für die aktuellen Wachstumsaussichten nach unten gerichtet seien.
Nach einer Inflation von 2,9 Prozent im Oktober auf Jahresbasis wird es in diesem Monat wahrscheinlich zu einer weiteren Verlangsamung kommen, aber Beamte der EZB haben bereits gewarnt, dass die Teuerung aufgrund statistischer Effekte kurzfristig wieder anziehen könnte. Es wird prognostiziert, dass das Ziel der EZB von 2 Prozent Inflation erst in der zweiten Hälfte des Jahres 2025 erreicht wird.
„Der Kampf ist noch nicht vorbei und wir verkünden sicherlich nicht den Sieg“, sagte Lagarde am Freitag auf einer weiteren Veranstaltung bei der Bundesbank in Frankfurt mit Jugendlichen und versprach, das Verbraucherpreiswachstum wieder auf das Ziel-Niveau nach unten zu bringen. Hier die Rede von Christine Lagarde auf Bloomberg TV anlässlich des 100. Jahrestages der Hyperinflation in Deutschland von 1923 über die aktuelle weltweite Inflationsbekämpfung und die Gefahren für die Demokratie auf dem Forum „Economic Dialogue“ – „Inflation kills democracy“:
FMW/Bloomberg
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Was heißt das jetzt für den Euro/Dollar Kurs? Sinkt wahrscheinlich am Montag? Zeigen sich bereits Auswirkungen am außerbörslichen Handel?
Bisher nicht. Das wird wohl erst nach konkreten Ansagen oder geldpolitischen Entscheidungen der EZB passieren. Aber der Euro neigt ohnehin seit geraumer Zeit ggü. dem US-Dollar zur Schwäche (v. a. aus konjunkturellen Gründen.
Schon lustig, wieviel in das „up or DOWN“ hineininterpretiert wird…
1. „Up“ ist ja auch noch im Spiel und
2. das nachfolgende „…but we will win this battle – I can asure you.“ will keiner hören.
Mir scheint es so, als würden es die Zentralbanken sogar drauf anlegen, dass Geld in die Märkte fliesst, weil Banken mit dem Hin- und Her schließlich Geld generieren. Kann das sein?
Gleichzeitig können dann Anleihen in kontrollierbarer Weise günstig gekauft oder teuer verkauft werden von bestimmten Stellen.