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Inflation, Zinsanstieg und Aktienmärkte: Unlösbare Aufgabe für Jerome Powell

Was für eine Gemengelage. Armer Jerome Powell, die Märkte hören immer „das Gras wachsen“

Die Börsenwelt fokussiert sich einmal mehr auf die USA: Dort hat sich, wie andernorts, ein Schub bei Inflation und Kapitalmarktzinsen ergeben. Was die Sache aber so schwer beherrschbar machen sollte, sind die unglaublichen Summen, die durch Stimuluspakete in die Märkte geflossen sind und auch noch fließen werden. Kann hier die Entwicklung einer Inflation einfach so totgeschwiegen werden, wie es Fed-Chef Powell bisher getan hat – und werden dies die Märkte akzeptieren? Sicherlich nicht. Die Vergangenheit zeigt, dass es bei einer Zinswende sehr auf die Kommunikation der Notenbank ankommt.

Die US-Wirtschaft wirft den Wachstumsmotor an – kommt die Inflation?

1,9 Billionen Dollar für das kommende Stimuluspaket – viele fragen sich, ob das in der kommenden Erholungsphase überhaupt notwendig ist? Erst recht, seit US-Präsident Biden die vollständige Impfung der bereitwilligen Bürger schon auf Ende Mai versprochen hat.

Verwaiste und leer stehende Hotels sowie Restaurants und Freizeitparks warten auf den Teil der Bevölkerung, der im Zeitraum der Corona-Maßnahmen ein bis eineinhalb Billionen Dollar auf die hohe Kante gelegt hat. Was wird nach Beendigung aller Lockdown-Maßnahmen passieren, wenn ein Teil dieses Kapitals zusätzlich in die Wirtschaft fließt? Wird allein dies nicht schon zu Preisanhebungen (also zu Inflation) führen, absolut verständlich aus Sicht der Unternehmen, die ihre Ausfälle zu kompensieren versuchen? Zusätzlich zu den höheren Kosten, die sich aus den Preissteigerungen im Energie- und Rohstoffsektor bereits ergeben haben.

Außerdem: Werden nicht viele Unternehmen aus dem Markt ausscheiden oder sich gesundgeschrumpft haben – sprich: trifft eine erhöhte Nachfrage nicht auf ein reduziertes Angebot? Diese Gemengelage soll sich nicht weiter in der Inflation bemerkbar machen? Auch wenn ein wirtschaftlicher „Sugar Rush“ nur ein paar Monate anhalten sollte. Es wird eine harte Zeit speziell für die US-Notenbank kommen, sollte die Arbeitslosigkeit stark zurückgehen, bei zugleich steigender Inflationsrate.

Die Reaktionen der Notenbank

Wie war es bei früheren Zinswenden? Ob im schlechtesten Anleihejahr 1994, wo die Rendite der 10-jährigen US-Staatsanleihe in fünf Wochen von 6 auf 7 Prozent stieg, im Jahr 2003 mit dem Anstieg von 3,1 auf 4,6 Prozent, 2004 von 3,7 auf 4,8 Prozent, alles in nur wenigen Wochen! Oder beim legendären Taper Tantrum durch Ben Bernanke im Jahr 2013, beim mehrmonatigen Anstieg von 1,7 auf 3,0 Prozent, weil der Fed-Chef es gewagt hatte, von einem Zurückfahren des Anleihekaufprgramms (QE) zu reden.

Jedes Mal reagierten die Aktienmärkte. Aber das Erstaunliche daran war, dass die Reaktionen nur im Bereich von bis zu 10 Prozent gelegen hatten und kein Crash ausgelöst wurde. Wie schon oft dargestellt: es waren fast immer die Leitzinsanhebungen infolge der Inflation, die einen Markteinbruch oder ein Zyklusende einleiteten. So geschehen vor 2000 (8 Anhebungen), vor 2007 (17) und vor 2018 (insgesamt 9).

Deshalb auch die große Warnung an durch einen ehemaligen Chief Advisor der Bush-Regierung an Jerome Powell: „Die US Notenbank hat die letzten drei Rezessionen durch aggressive Leitzinsanhebungen verursacht. Wenn dies ein weiteres Mal geschieht, so wird die Fed ihre Unabhängigkeit verlieren!“ Eine Langzeituntersuchung von Allianz Global Investors zeigt, dass die US-Notenbank in den letzten vier Dekaden eher auf eine verbesserte Arbeitsmarktlage als auf eine gestiegene Inflationsrate reagiert hat. Soviel zu den Leitzinsen, deren Anhebung noch nicht ansteht.

Interessant ist auch, dass die Anstiege der Kapitalmarktzinsen stets im Frühjahr begannen, mit den Marktreaktionen im Sommer.

Was die jetzige Situation aber besonders kritisch macht, ist die Höhe der Verschuldung der Wirtschaftssubjekte. Wie sonst nur nach großen Kriegen und bei einem jetzigen weiteren Zinsanstieg in Richtung 2 Prozent würde vieles leiden: Hypothekendarlehen und weitere Privatkredite, Wachstums- und Versorgeraktien, alles was mit Fremdkapital finanziert wird, ist betroffen.

Besonders anfällig von einem Zinsanstieg ist der Elektroauto-Pionier Tesla. Es gab bereits einen Rückschlag im Aktienkurs von 30 Prozent und was ist mit den Anleihen von Tesla? Als vor nicht allzu langer Zeit eine Anleihe von Tesla emittiert wurde, musste man den Investoren 4,4 Prozent Rendite bieten, viermal so viel wie bei einer ähnlichen Anleihe von Volkswagen. Der Bondmarkt hatte also eine ziemlich divergente Einschätzung zu dem Unternehmen, anders als es der Aktienmarkt in der jüngsten Vergangenheit getan hat.

Jetzt kam das erwartete Ereignis am gestrigen Tag, mit der Fragestunde beim Wall Street Journal mit Fed-Chef Powell. Auch wenn sich Notenbanker unklar ausdrücken müssen, hat Jerome Powell die Märkte erst einmal enttäuscht. Sätze wie „The Inflation is transitory, short term“ oder „We expect as the economy picks up, we will see inflation move up“ und „We´ll communicate well in advance before tapering.“ Das alles bedeutet doch nur, dass etwas kommen wird, aber Ausmaß, Zeit und Art der Maßnahme blieben im Dunkeln. Also vielleicht doch ein Zurückführen der Stimuli, vielleicht doch wegen der Inflation? Was aber der Markt aus diesen Informationen macht, ist dennoch unsicher. Da brauchen nur die großen Arbeitsmarktdaten in naher Zukunft zu enttäuschen, eine zentrale Messlatte für Aktivitäten der US-Notenbank.

Dennoch könnte man es zusammenfassend so ausdrücken: Für einen Crash am Aktienmarkt müssten die Renditen deutlich stärker steigen als bis 1,61 Prozent, aber die gestrige Reaktion nach Jerome Powells Fragerunde beim Wall Street Journal hat gezeigt, dass die Märkte entschlossen sind, die Fed unter Druck zu bringen. Um endlich konkrete Maßnahmen zu beschließen, den Zinsanstieg zu begrenzen.

Fazit

Die kommende Konjunkturphase bringt wieder einmal eindeutig ins Bewusstsein, wie schwer es eine Notenbank hat, Geldpolitik vernünftig zu steuern. In starker Abhängigkeit von der Wirtschaftspolitik der eigenen Regierung, in Verbindung mit dem gesetzlichen Auftrag (USA: Preisstabilität und Arbeitsmarkt) und erst recht beeinflusst von der Entwicklung an den Kapitalmärkten.

Hierzu nur zwei Beispiele: Die Aktienmärkte blicken weit in die Zukunft und preisen mögliche Entwicklungen ein. Die Notenbank hingegen muss nachlaufende Indikatoren beachten, wie zum Beispiel den Arbeitsmarkt (ein lagging Indicator) – Vorausschau gegen Rückschau. Man stelle sich vor, die US Notenbank würde angesichts einer möglichen, kommenden Überhitzung der US-Konjunktur in Erwartung anziehender Inflation jetzt die Zinsen anheben, obwohl die Arbeitslosigkeit noch bei 6,3 % liegt. Was hätte dies an den Märkten für Konsequenzen (auch aber auch für die Reputation der Notenbank), sollte der Aufschwung durch externe Faktoren gebremst werden? Man hätte sofort den Schuldigen für den Wirtschaftsabschwung. Noch problematischer wäre es, wenn ein Notenbankchef Anzeichen für eine kommende Rezession offen anssprechen würde. Wahrscheinlich hätte er den Eintritt einer solchen innerhalb weniger Wochen durch eine sofortige Investitions- und Konsumbremse der handelnden Wirtschaftssubjekte.

Kurzum: Die nächsten Monate werden zu einer großen Herausforderung für die Federal Reserve, aber auch für ihre Pendants in anderen Staaten, wenn die Inflation allein aufgrund des Basiseffekts (1. Halbjahr 2020 gegen 1. Halbjahr 2021) in die Höhe schießen wird. Denn man muss die Sorge der Märkte vor stärkerer Inflation einbremsen und zugleich auf eine mögliche Übertreibung in der Wirtschaft mit geldpolitischen Maßnahmen Rücksicht nehmen. Wenn die eigene Regierung trotz der mittlerweile ständig angehobenen ökonomischen Wachstumsaussichten für 2021 weiterhin zig Milliarden Dollar an Stimulus-Geldern in die Wirtschaft pumpt. Dies alles verbal in äußerst vorsichtiger Kommunikation den Märkten nahebringen.

Was für eine Gemengelage. Armer Jerome Powell, die Märkte hören immer „das Gras wachsen“.

 

Die Märkte erwarten Inflation, Powell spielt die Gefahr herunter



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1 Kommentar

  1. Aus CNBC:In addition to indications of full employment, Powell said, “We’d want to see inflation sustainably above 2% and we’d want to be on track for inflation to run sustainably above 2%.”

    Die FED peilt mehr als 2% Inflation an, gerne auch 3% und das über lange Zeit. Wird die Zinskurve des Kapitalmarktes zusätzlich durch Ankauf von Staatsanleihen verflacht, heizt das die Inflation weiter an. Tritt die FED bei 5% auf die Bremse oder macht das auch nichts aus?

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